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Femizide verhindern Darum ist Spanien Vorreiter gegen Gewalt an Frauen

In der Schweiz sind dieses Jahr schon 25 Frauen von ihnen bekannten Männern getötet worden. Der Ruf nach Massnahmen wird lauter.

In der Schweiz wird alle zwei Wochen eine Frau von ihrem Mann, ihrem Ex-Partner, Bruder oder Sohn getötet, wie «Stop Femizid» schreibt. Die Organisation zählt, wie viele Frauen in der Schweiz getötet werden. Dieses Jahr sind es bereits 25 Frauen und Mädchen.

Wenn es um den Schutz der Frauen vor Gewalt gehe, erhalte die Schweiz denn auch bloss die Note drei. Das schreibt eine Gruppe von Frauenrechts­organisationen und Gewaltfachstellen in ihrem Bericht. Die Gewalt gegen Frauen nehme in der Schweiz zu – und sei alarmierend.

Parallelbericht zur Istanbul-Konvention

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Symbolbild: zerbrochene Tasse.
Legende: stopfemizid

Der Schutz vor geschlechterbezogener Gewalt ist in der Schweiz laut dem Netzwerk «Istanbul Konvention» weiterhin ungenügend. Die Schweiz verfehle zentrale Verpflichtungen zum Schutz vor geschlechtsbezogener Gewalt, schreibt das Netzwerk in seinem neusten Bericht.

Das Netzwerk bemängelt insbesondere, dass auf Bundesebene bis heute keine verbindliche Gesamtstrategie geschaffen wurde. Die kantonalen Unterschiede seien enorm. Betroffene erlebten je nach Wohnort stark unterschiedliche Zugänge zu Schutz, Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt, barrierefreien Unterkünften oder psychosozialer Unterstützung.

Um beispielsweise die Arbeit der Frauenhäuser langfristig zu sichern, brauche es eine objektorientierte Finanzierung mit festen Sockelbeiträgen in allen Kantonen. (sda)

Die Organisationen kritisieren, dass die Schweiz die Istanbul-Konvention nur ungenügend umsetze. Konkret sei zu wenig Geld für den Schutz von Frauen – etwa für Frauenhäuser – vorhanden. Ausserdem seien die Unterschiede bei den Massnahmen zum Schutz der Frauen zwischen den Kantonen enorm.

Die Istanbul-Konvention hat zum Ziel, Frauen vor Gewalt zu schützen. Seit mehr als acht Jahren gilt die Konvention auch in der Schweiz.

Bundesrat will Hilfsangebote ausbauen

Dass die Schweiz mehr tun muss, ist auch dem Bundesrat klar. «Vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Femizide erneut zugenommen hat, ist das dringend nötig», sagte Bundesrat und Justizminister Beat Jans kürzlich gegenüber SRF.

Jans hat sich auch die Situation in Spanien vor Ort angeschaut. Das Land geht seit mehr als 20 Jahren rigoros gegen Gewalt an Frauen vor. Der Hintergrund: Ende der 1990er-Jahre wurde eine Frau von ihrem Ex-Mann brutalst ermordet, nachdem sie in einer TV-Sendung die jahrelangen Misshandlungen durch ihn öffentlich gemacht hatte.

«Dieser schlimme Fall offenbarte, dass es im spanischen System immense Mängel gab», sagt SRF-Spanienkenner und Auslandredaktor Beat Vogt. So hatte ein Richter verfügt, dass der Ex-Mann weiterhin im selben Haus leben sollte wie seine Frau, die er vorher bereits mehrmals misshandelt hatte.

Bahnbrechendes Gesetz nach Protesten

Der Fall führte in ganz Spanien zu massiven Protesten, worauf einige Jahre später ein Gesetz gegen Gewalt an Frauen in Kraft trat. Es sieht Strafverschärfungen für Täter vor, aber auch zahlreiche Massnahmen zum Schutz der Opfer vor männlicher Gewalt.

«Es war das erste umfassende Gesetz dieser Art in Europa», betont Vogt. Angesichts der Tatsache, dass die Istanbul-Konvention erst zehn Jahre später vereinbart wurde, war Spanien mit dem innovativen Gesetz der Zeit voraus.

Hotline in Spanien vermittelt Hilfe

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In Spanien gibt es auch eine Hotline, bei der Frauen anrufen können, die Gewalt von Männern erfahren. Bei dieser Nummer 016 gehe es vor allem darum, die Frauen zu beraten, sagt Beat Vogt. Denn wenn es zu akuter Gewalt von Männern an Frauen komme, werde auch in Spanien umgehend die Polizei eingeschaltet. Die Frauen erfahren bei der Hotline, welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, wenn sie von Gewalt betroffen sind. Anrufen können auch Freundinnen oder Bekannte, die befürchten, dass jemand Gewalt erfahren muss.

Auch in der Schweiz soll eine solche Hotline eingerichtet werden – die 142. Eigentlich hätte sie im November in Betrieb gehen sollen, nun wird es aber Mitte 2026 – angeblich aus technischen Gründen.

In Spanien gebe es etwa spezielle Gerichte, die sich nur mit Fällen von Gewalt an Frauen befassen, so Spanienkenner Vogt. Weil sich die Richterinnen und Richter dort nur solchen Fällen widmen, sind sie entsprechend psychologisch geschult. «Eine der dortigen Richterinnen erklärte mir das so: Es gebe schliesslich auch Jugendgerichte, weil junge Menschen speziell geschützt werden müssten. Das sei auch bei Frauen so», berichtet Vogt.

Stark auch in der Prävention

Und: Spanien ist auch in der Prävention Vorreiter. So gibt es etwa ein landesweites Computerregister, in dem Täter, die Gewalt an Frauen verübt haben, aufgelistet sind. Dabei berechnet ein spezieller Algorithmus das Gefährdungspotenzial der einzelnen Männer.

«Je nach berechneter Risikostufe gibt es dann unterschiedliche Massnahmen, welche die Polizei ergreift», sagt Vogt. In Extremfällen würden Frauen unter Polizeischutz gestellt. Alle diese Massnahmen haben tatsächlich dazu geführt, dass die Zahl der Femizide in Spanien in den letzten Jahren zurückgegangen ist.

Von Gewalt betroffen? Hier finden Sie Unterstützung!

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Hilfe für gewaltbetroffene Personen:

Polizei, Tel. 117 (Notruf)

Frauenhäuser für Frauen, auch mit Kindern

Mädchenhaus für Mädchen und junge Frauen

Schlupfhuus für alle Jugendlichen

Zwüschehalt Schutzhäuser für Männer

Opferhilfe Schweiz Beratungsstellen nach Kanton

Alter ohne Gewalt für ältere Menschen und Angehörige

Dargebotene Hand Sorgen-Telefon, Tel. 143

Beratung + Hilfe 147 für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

LGBT-Helpline für queere Menschen

Online-Opferberatung

Hilfe für gewaltausübende Personen:

Gewaltberatung Fachstellen nach Kanton

Podcast Newsplus, 28.10.2025, 16:30 Uhr ; 

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