Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Finanzen unter Druck Selbstbedienung reisst Löcher in Kantonskassen

Dem Kanton Tessin drohen Millionen-Einbussen wegen Volksinitiativen. Andere Kantone erwartet Ähnliches. Wie gehen sie damit um?

Die Mehrheit der Kantone rechnet im Budget für das Jahr 2026 mit einem Defizit. In der Regel budgetieren die Kantone defensiv. Die Rechnungsabschlüsse fallen später eher besser aus. Doch die negativen Budgets können auch als Zeichen gewertet werden, dass die Kantonsfinanzen zunehmend unter Druck geraten.

Mehr für mich - weniger für alle

Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren hat bereits im Mai 2023 darauf hingewiesen. Sie schrieb: «Die kantonalen Haushalte werden in den kommenden Jahren mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert sein.» Gründe: die Entlastung des Bundeshaushalts, steigende Gesundheitskosten, aber auch die Abschaffung des Eigenmietwerts, welcher das Stimmvolk am 28. September zugestimmt hat.

Ein Portemonnaie liegt in einer Hand.
Legende: Stimmen die Schweizer Bürgerinnen und Bürger immer mehr für das eigene Portemonnaie ab? KEYSTONE / Gatean Bally

Abschaffung Eigenmietwert, 13. AHV-Rente, gedeckelte Krankenkassenprämien im Kanton Tessin, vergünstigter ÖV in der Stadt Zürich: Es scheint, als stimmten die Schweizer Bürgerinnen und Bürger immer mehr für das eigene Portemonnaie ab und weniger für das Gemeinwohl. Lukas Golder, Politologe von GFS Bern, bestätigt dies.

Initiativen reissen Loch in die Tessiner Kasse

Genau dieses Stimmverhalten belastet auch die Finanzen der Kantone. Namentlich des Tessins. Der Kanton Tessin budgetiert für das Jahr 2026 ein Minus von 97.4 Millionen Franken. Seit Jahren kämpft er mit knappen Finanzen.

Unterschriften für die Initiative sind aufeinandergestapelt
Legende: Die Initiative gegen zu hohe Krankenkassenprämien wurde im Tessin klar angenommen. tipress

Die Annahme der beiden Volksinitiativen Ende September für mehr Prämienverbilligungen und für höhere Abzüge für Krankenkassenprämien bei den Steuern könnten den Kanton jedes Jahr zusätzliche 350 Millionen Franken kosten. Es drohen noch viel höhere Defizite. Dementsprechend stehen Steuererhöhungen im Raum.

Basel-Landschaft und die «neue Mentalität»

Mit kantonalen Initiativen, welche die Staatskasse belasten, während sie die einzelne Bürgerin und den einzelnen Bürger entlasten, ist das Tessin nicht alleine. Auch in den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt stehen Volksbegehren an. Alle sind populär und haben an der Urne gute Chancen.

Weitere kantonale und kommunale Initiativen

Box aufklappen Box zuklappen

Im Kanton Basel-Landschaft steht die Initiative «Gebührenfreie Kinderbetreuung für alle Familien» an. Sie trage ein maximales finanzielles Risiko von 172 Millionen Franken pro Jahr, schreibt die Finanzdirektion in ihrem Finanzplan bis 2029, sie wäre kaum zu finanzieren, sagt Finanzdirektor Anton Lauber dazu.

100-Millionen-Loch

Ebenfalls auf den Kanton Basel-Landschaft kommt die Initiative «Prämienabzug für alle» zu. Hier betrage das finanzielle Risiko pro Jahr rund 100 Millionen Franken.

Um diese Risiken abzufedern, hat der Kanton Gegenvorschläge ausgearbeitet.

Unklare Risiken

Weiter gibt es im Kanton Basel-Landschaft die «Umverteilungsinitiative». Laut Einschätzung des Kantons beträgt das Risiko 135 Millionen Franken. Die Risiken von 16 von der Wirtschaftskammer eingereichten Initiativen seien ausserdem noch nicht klar.

Neu haben zudem Gemeinden die «Banken-Gewinn-Initiative» angestossen. Ein Drittel der Gewinne der Kantonalbank sollen direkt vom Kanton an die Gemeinden fliessen. Ohne dass dieses Geld an eine Aufgabe gebunden wäre.

Tiefere Steuern

Im Nachbarkanton Basel-Stadt wurde die «Kaufkraft-Initiative» eingereicht. Sie fordert tiefere Steuern. Die Auswirkungen auf die Finanzen des Kantons sind noch unklar.

Weniger Prämien

Anfang Oktober wurde in Appenzell Ausserrhoden eine Initiative eingereicht, welche die Krankenkassenprämien deckeln will. Analog zum Begehren, welches im Tessin Ende September vom Volk angenommen wurde.

Von Selbstbedienung würde er nicht sprechen, sagt Anton Lauber, Finanzdirektor des Kantons Basel-Landschaft. «Aber die Schweizerinnen und Schweizer stellen sich vermehrt die Frage: Wo bekomme ich Geld her, um entlastet zu werden?» Grundsätzlich könne jeder haben, was er wolle. «Aber ich stelle eine neue Mentalität fest, dass man sich über die Finanzierung weniger Gedanken macht als auch schon», sagt Lauber.

Der Blick in andere Kantone

Box aufklappen Box zuklappen

Die Finanzdirektorin des Kantons Bern, Astrid Baertschi, schreibt SRF, dass sich der Regierungsrat nur mit konkreten Chancen und Risiken rund um die Entwicklung des Finanzhaushaltes auseinandersetze. Das gleiche gilt auch für den Kanton Schwyz. Er stelle jedoch einen Trend zu vermehrten öffentlichen Leistungen fest, schreibt Finanzdirektor Herbert Huwyler. Die Finanzdirektion des Kantons Solothurn teilt mit, dass sie die Entwicklung auf nationaler Ebene genau beobachte. Im Kanton selbst stünden aber keine Initiativen an, die einer Selbstbedienungsmentalität entsprechen würden.

Tatsache ist bei allen Volksbegehren auch, dass die Kantone ihre finanzielle Situation auch selbst belasten: durch Steuersenkungen. Bern will die Steuern senken, wie auch Zug, Schwyz oder Nidwalden.

Der Finanzdirektor des Kantons Basel-Landschaft spricht bei allen Risiken auch davon, dass sich sein Kanton viele Mehrkosten aufgrund der Wirtschaftskraft leisten könne. Die beiden Basel denken allfällige Kosten und die Folgen der kantonalen Initiativen so weit wie möglich mit. Das Tessin muss seine nun irgendwie bewältigen.

Regionaljournal Basel Baselland, 6.10.2025, 17.30 Uhr; sten

Meistgelesene Artikel