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Schweiz Für den Familienausflug in den Supermarkt

Der Einkaufstourismus wächst ungebremst – erst recht mit dem starken Franken. Doch die tiefen Preise im Ausland erklären nicht alles.

Ist es moralisch gesehen verwerflich, für den Einkauf ins Ausland zu fahren? Die Kommentatoren auf der Website von SRF News sind gespalten. In der Schweiz Geld zu verdienen, um es dann im Ausland auszugeben, gehe nicht, finden viele. Der Einkaufstourismus schwäche die Schweizer Wirtschaft und führe am Ende gar zu einem Stellenabbau und einer höheren Arbeitslosigkeit. Andere wiederum sind der Meinung, die Preise in der Schweiz seien viel zu hoch. Da sei die Fahrt über die Grenze nur die logische Konsequenz.

In den Kommentarspalten sind die Kritiker des Einkaufstourismus zahlreicher als die Befürworter. Die Statistiken aber sprechen eine andere Sprache: Insbesondere seit der Aufhebung des Mindestkurses fahren mehr Schweizer nach Deutschland, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt. Doch der Trend begann schon weit früher. Das legen die Zahlen des Zollamts Singen nahe, in dessen Gebiet die Grenzstadt Konstanz liegt (siehe Grafik): Die Anzahl bestätigter Formulare, mit denen die Schweizer nach dem Einkauf die deutsche Mehrwertsteuer zurückfordern, hat sich seit 2006 fast verdreifacht.

Im Sinne eines Schneeballeffekts dürfte die Anzahl Einkaufstouristen in Zukunft sogar noch weiter wachsen: «Je mehr Leute im Ausland einkaufen gehen, desto akzeptierter wird das Verhalten», sagt Silke Bambauer-Sachse, Professorin für Marketing an der Universität Freiburg. In anderen Worten: Der Einkaufstourismus wird je länger, je normaler.

Nach dem Einkaufen ins Wellness-Hotel

Das zeigt sich auch daran, dass es längst nicht mehr nur Zürcher und Aargauer sind, die nach Deutschland fahren. Inzwischen nehmen auch Luzerner und sogar Romands den Weg über die Grenze auf sich; oft sitzen sie dafür pro Weg mehr als eine Stunde im Auto.

Dabei geht es nicht alleine darum, dass die Preise im Ausland tiefer sind. «Vielmehr ist das Einkaufen selber zu einem Erlebnis geworden», sagt Bambauer-Sachse. Ein Shopping-Tag in Deutschland als Familienausflug. «Oft essen die Familien dann auch auswärts und kombinieren den Einkauf zum Beispiel mit einem Abend im Wellness-Hotel.»

Preis ist wichtiger als guter Service

Dennoch dürfte der Boom beim Einkaufstourismus auch damit zusammenhängen, dass sich die Prioritäten der Schweizer beim Einkaufen geändert haben. Das stellt Thomas Rudolph fest, Professor für Marketing an der Universität St. Gallen. «Wir untersuchen jedes Jahr, was für den Konsumenten beim Einkaufen an erster Stelle steht: Die Qualität, der Preis, oder der Service», sagt Rudolph.

Bei der Qualität hat sich nichts geändert: Sie steht bei den Schweizern immer noch an erster Stelle. Auf dem zweiten Platz aber hat es vor etwa fünf Jahren eine Verschiebung gegeben. Stand bisher der Service an zweiter Stelle, so ist neu der Preis das zweitwichtigste Kriterium in vielen Branchen.

Leute stehen im Einkaufszentrum Lago in Konstanz Schlange, um die Mehrwertsteuer zurückzufordern
Legende: Schlange stehen, um die Mehrwertsteuer zurück erstattet zu bekommen: Schweizer im Einkaufszentrum Lago in Konstanz. Keystone

Wer spart, ist schlau

Mitverantwortlich für die Zunahme des Einkaufstourismus dürfte auch die Transparenz sein, die das Internet mit sich gebracht hat. So gibt es bereits Plattformen, mit denen Preise in der Schweiz mit jenen in Deutschland verglichen werden können. Auch über Qualität eines Produkts können sich Kunden online informieren. Smart Shopping heisst diese Art des Einkaufens. «Die Leute wissen mehr über die Preisunterschiede in den verschiedenen Ländern, wodurch der Preis wichtiger geworden ist», sagt Professorin Bambauer-Sachse. Auch Rudolph stellt fest: «Über den Preis wird heute mehr geredet als früher.» Zu sparen, gelte als schlau.

Schliesslich gibt es laut Bambauer-Sachse einen weiteren Grund für die Popularität des Einkaufstourismus. «Es gibt einen Trend beim Einkaufsverhalten, nicht mehr jede Woche zum Supermarkt zu fahren, sondern beispielsweise einmal pro Monat den Grosseinkauf zu erledigen.» Gerade bei solchen Grosseinkäufen lockten die tiefen Preise jenseits der Grenze.

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