Im Gebäude der Israelitischen Cultusgemeinde im Zürcher Quartier Enge kennt Michel Alassani jede Ecke. Auch die Mikwe, das Wasserbecken zur spirituellen Reinigung. Der 58-jährige Hausmeister putzt sie jeden Tag. Er sagt: «Das ist meine erste Arbeit, wenn ich am Morgen hier ankomme.»
Seit 13 Jahren schon reinigt Alassani die Räume der grössten jüdischen Gemeinde der Schweiz, repariert, was kaputtgeht, und hält die Technik instand. Bemerkenswert ist das deshalb, weil er gläubiger Muslim ist. Geboren in Togo, lebt Michel Alassani seit vielen Jahren in der Schweiz.
Ich kann auch in einer Synagoge beten.
Eine andere Arbeit als diejenige bei der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich könne er sich nicht mehr vorstellen. Sie sei ein wenig Heimat geworden für ihn. «Die Leute kennen mich und ich bin glücklich», sagt Alassani.
Beten im Büro
Sein Glaube ist Michel Alassani wichtig. Er sei sein Motor. Wenn er nicht bete, fehle ihm etwas.
Für ihn gibt es nichts Selbstverständlicheres, als seinen Glauben mitten in der jüdischen Gemeinde zu leben. Mehrmals täglich rollt er im Hausmeisterbüro zwischen Schrank und Tisch seinen «Gebetsteppich» – eine grüne Yogamatte – aus, positioniert sie in Richtung Mekka und betet. Wobei für ihn die Arbeit an erster Stelle stehe. «Gott kommt nachher», sagt Alassani und lacht.
Was viele erstaunen mag, ist für den muslimischen Hausmeister das Normalste der Welt. Er sagt: «Ich kann auch in einer Synagoge beten.» Die jüdische Gemeinschaft sei ihm immer offen begegnet, Probleme aufgrund der unterschiedlichen Religionen habe es in all den Jahren nie gegeben.
Michel strahlt Toleranz aus.
Das sieht auch Noam Hertig so. Der Rabbiner der Israelitischen Cultusgemeinde sagt, Michel Alassani strahle Toleranz aus. «Er hat seinen Glauben – doch für ihn heisst das nicht, dass wir unseren nicht leben und es miteinander nicht gut haben können.»
Hertig lobt auch Alassanis Stil. An Feiertagen komme der Hausmeister im Dreiteiler zur Arbeit, «top gestylt». Und er sei nicht nur der bestgekleidete, sondern auch der bestgelaunte Hausmeister. Ausserdem habe Alassani immer ein Lächeln im Gesicht.
Reise nach Israel
Michel Alassani möchte gerne bis zu seiner Pensionierung weiter in der jüdischen Gemeinde arbeiten. Für die Zeit danach hat er bereits Pläne. Er wolle dann endlich einmal nach Israel reisen, sagt er: «Das ist mein Wunsch.» Er habe dort viele jüdische Kollegen.
Neugierde und Toleranz – für den Muslimen Michel Alassani ist ein Miteinander der Religionen kein guter Vorsatz, sondern seit 13 Jahren Alltag.