Es eine gute Geschichte, jene vom Freiheitskampf am Morgarten. Und dort, unterhalb des Morgartendenkmals, zelebriert die Junge SVP ihre Nacht der Freiheit. Es zeigt sich: Je weniger zu Morgarten verbrieft ist, desto grösser ist der Spielraum für die Erzählkunst – auch für Nils Fiechter, den Chef der Jungen SVP.
Bei Morgarten stand vor allem der Freiheitsgedanke des kleineren, jüngeren Bundes von 1315 im Zentrum.
Er bringt dazu ein Zitat von Gottfried Keller. «Ob sie geschehen, ist nicht zu fragen, der Kern von jeder Fabel ist der Sinn, das Mark der Wahrheit ruht hier frisch darin.» Und das Mark der Wahrheit sei eben der Kampf für die Freiheit. «Bei Morgarten stand vor allem der Freiheitsgedanke des kleineren, jüngeren Bundes von 1315 im Zentrum», so Fiechter.
Dies sei damals eine Realität gewesen und sie sei es auch heute noch. Es ist jedenfalls seine Realität und die seiner Partei. Identitätsstiftend sei Morgarten, sagt Fiechter, die Geschichte erzähle: «Woher man kommt, was uns zu dem gemacht hat, was wir sind, was unser Denken und unsere kulturelle Identität ausmacht.»
Ein Freiheitskampf?
Doch inwiefern das Hauen und Stechen in dieser damals kargen Randregion des Heiligen Römischen Reiches ein Freiheitskampf war, erklärt Annina Michel im Bundesbriefmuseum in Schwyz. Michel ist die Leiterin des Museums und sie stellt klar: «Freiheit hat mit der Schlacht am Morgarten nichts zu tun. Der Begriff der Freiheit, wie wir ihn heute kennen, ist eine Erfindung der Aufklärung und der Französischen Revolution. Das Mittelalter kennt die Idee der individuellen Freiheit nicht. Freiheit im Mittelalter bedeutet, über Privilegien zu verfügen.» Konkret sind damit Sonderrechte für die lokale politische Elite gemeint.
Der Begriff der Freiheit, wie wir ihn heute kennen, ist eine Erfindung der Aufklärung und der Französischen Revolution.
Es war kein Aufstand unterdrückter Kleinbauern gegen die Grossmacht, und die Habsburger seien auch kaum von mutigen und listigen einfachen Bauern verhauen worden. Eher waren Söldner Kriegsfachmänner an der Hellebarde. Habsburg war auch nicht auf Eroberung aus: Herzog Leopold musste nach Einsiedeln, um zum Rechten zu schauen, weil die Schwyzer vor Morgarten sein Kloster überfallen hatten, Mönche in Geiselhaft genommen hatten, am Altar ihre Notdurft verrichtet hatten.
Doch die Forschung ist sich nirgendwo sicher, zu Morgarten herrscht quasi Wissensfinsternis.
Die Schlacht bei Morgarten scheint ein Ereignis gewesen zu sein, das nicht bedeutend genug war, um in den Quellen Niederschlag zu finden.
Etwas sei 1315 gewesen, so Michel, doch: «Über die Tatsache hinaus, dass diese Schlacht stattgefunden hat, wissen wir nichts über dieses Ereignis.» Hätten die frühen Eidgenossen am Morgarten schon damals die grosse Freiheitsschlacht geschlagen, wäre dies wohl niedergeschrieben worden, so Annina Michel. «Aber es scheint ein Ereignis gewesen zu sein, das nicht bedeutend genug war, um in den Quellen Niederschlag zu finden.»
Morgarten als Mythos
Das Identitätsstiftende wird bei der Schlacht am Morgarten betont, seit Chronist Aegidius Tschudi im 16. Jahrhundert die gute Geschichte vom edlen Widerstand gegen fremde Herrschaft in seiner Helvetischen Chronik geschrieben hat. Dieser Erzählung wurde identitätsstiftende Kraft zugeschrieben, und sie hält sich bis heute.
Annina Michel, Leiterin des Bundesbriefmuseums in Schwyz sagt: «Morgarten ist nicht nur eine Geschichte, es ist ein Mythos. Ein Mythos weist immer über sich selbst hinaus. Er vermittelt eine Botschaft oder Werte, die eine Art von Allgemeingültigkeit haben.»