Wie steht es um die Schweizer Medienlandschaft? Heute wurde das Jahrbuch Qualität der Medien des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich veröffentlicht. Der Direktor Mark Eisenegger war zu Gast im Tagesgespräch.
SRF News: Wie gut sind die Schweizer Medien?
Mark Eisenegger: Schweizer Medien haben im internationalen Vergleich eine gute Qualität. Zum Beispiel ist die Resilienz gegenüber Desinformation hoch. Wenn Falschinformationen zirkulieren, wird das von Journalisten und Journalistinnen schnell aufgegriffen und richtiggestellt. Man merkt aber, dass das Geld fehlt und Ressourcen abgebaut wurden. So haben wir einen grossen Verlust in der Vielfalt der Berichterstattung und an Einordnung.
Immer weniger Personen konsumieren journalistische Medien. Die Zahl der sogenannt «News-Deprivierten» ist mit 46 Prozent auf einem Höchststand. Was ist das Problem, wenn man sich hauptsächlich via Social Media informiert?
Wer nur Social Media nutzt, bekommt zwar auch einiges mit. Man hat aber weniger politisches Wissen zu aktuellen Themen, zum Beispiel zu kommenden Abstimmungen.
Es reicht nicht, wenn man nur Social Media konsumiert.
Die Forschung zeigt eindeutig: Es reicht nicht, wenn man nur Social Media konsumiert. Der Wissensstand ist tiefer.
Welche Gruppe ist am besten informiert?
Interessanterweise nicht die Gruppe der Intensivnutzer und -nutzerinnen, also nicht diejenigen, die unglaublich viele und unterschiedliche News konsumieren, journalistische Nachrichten plus Social Media. Am besten informiert sind jene, die sehr traditionelle News konsumieren, zum Beispiel Radio, Fernsehen, Zeitungen. Das hat mich überrascht.
18 Prozent der jungen Erwachsenen informieren sich mit KI-Chatbots wie etwa ChatGPT. Warum sehen Sie das kritisch?
Weil die Fehlerquote bei Chatbots relativ hoch ist. Sie sind also nicht verlässlich. Zudem nutzen Chatbots bei Fragen zur politischen Aktualität in hohem Masse journalistische Quellen, also Informationen, die ein Journalist, eine Journalistin tagelang recherchiert hat.
Der Ertrag bleibt aber beim Chatbot, sowohl was die Klicks anbelangt als auch die ökonomische Abschöpfung. Hier braucht es politische Lösungen, welche die ungleichen Spiesse zwischen Chatbots und Journalismus wieder in ein gutes Verhältnis bringen.
Warum verlieren so viele das Interesse an journalistischen Medien?
Viele verzichten bewusst, weil sie die vielen negativen Nachrichten nicht ertragen oder überfordert sind von der Menge und Komplexität. Es gibt aber auch Gründe, die ohne Absicht entstehen. Die Mediennutzung insgesamt geht durch die Decke. Wir hängen den ganzen Tag am Handy und konsumieren Medien, aber halt immer weniger Nachrichten.
Man schaut lieber eine Netflix-Serie als eine News-Sendung.
Wir vermuten, dass ein starker Verdrängungseffekt stattfindet. Man schaut lieber eine Netflix-Serie als eine News-Sendung. Zudem verlieren diejenigen, die viel auf Social Media unterwegs sind, die Verbindung zum Journalismus, da sie nicht mehr zwischen einer journalistischen Quelle und einem Influencer unterscheiden können.
Was heisst das für uns als Gesellschaft?
News-Deprivierte beteiligen sich weniger am demokratischen Prozess. Sie gehen weniger abstimmen, sie haben ein geringeres Vertrauen in Politik und in die Medien. Dadurch sind sie anfälliger für eine Stimmungsdemokratie, entscheiden also aus dem Bauch heraus aufgrund vom Hörensagen. Ausserdem, und das ist besonders bedenkenswert, identifizieren sie sich weniger mit einer demokratischen Gemeinschaft.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.