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Auswahlprozedere für die neuen Schweizer Kampfjets
Aus Echo der Zeit vom 17.11.2020. Bild: Keystone
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Kampfjet-Entscheid Rüstungsspezialist: «Der F-35 erfüllt die Versprechen nicht»

Ende September sagte das Schweizer Stimmvolk Ja zu neuen Kampfjets. Am Mittwoch reichen deshalb die vier Anbieter Airbus, Boeing, Lockheed Martin und Dassault ihre Offerten ein. Besonders umstritten ist das Modell F-35 des amerikanischen Herstellers Lockheed Martin – auch in den USA. Für den Experten Dan Grazier ist die Maschine «ein sehr teurer Prototyp».

Dan Grazier

Dan Grazier

Rüstungs- und Sicherheitsexperte

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Der US-Amerikaner Dan Grazier arbeitet seit 2015 für die unabhängige Non-Profit-Organisation Project On Government Oversight (POGO) in Washington und hat sich auf Rüstungs- und Sicherheitsthemen spezialisiert. POGO hat sich zum Ziel gesetzt, die US-Regierung sowie deren Programme und Projekte kritisch zu durchleuchten, namentlich mit Blick auf Korruption, Betrug und der Verschwendung von Steuergeldern.

Von 2005 bis 2015 diente Grazier im US-Militär, unter anderem war er in Afghanistan stationiert und kommandierte im Irak einen Panzer-Zug.

SRF News: Der US-Kampfjet F-35 ist das teuerste Rüstungsprogramm in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Es wurde 2001 gestartet und kämpft bis heute mit Problemen. Welches sind die grössten Mängel?

Dan Grazier: Das F-35 Programm ist eigentlich gescheitert. Es wurde teurer als geplant und liegt hinter dem Fahrplan zurück. Zudem erfüllt das Flugzeug die Versprechen nicht, die ursprünglich gemacht wurden. Das hat damit zu tun, dass die Entwickler gleichzeitig verschiedene Zwecke abdecken wollten: Das Flugzeug sollte gegnerische Kampfflieger in der Luft abschiessen können, es sollte Ziele am Boden ausschalten und gleichzeitig die Bodentruppen unterstützen. Das ist ein schwieriges Vorhaben.

Die Maschine ist weiterhin ein sehr teurer Prototyp.

Heute – fast 20 Jahre nach dem Start des Programms – ist die Entwicklung des F-35 noch immer nicht abgeschlossen. Die Maschine ist weiterhin ein sehr teurer Prototyp.

Die US-Armee kämpft also mit der Technik anstatt dem Feind im Feld?

Richtig. Das habe ich selbst im Irak miterlebt. Jede neue Funktion, die damals unseren Abrams-Panzern hinzugefügt wurde, sollte eigentlich die Kriegsführung verbessern. Doch je mehr Funktionen und Ausrüstungsmöglichkeiten wir hatten, desto stärker waren wir mit dem Material beschäftigt. So haben wir immer mehr Zeit mit der Wartung und mit internen Prozessen verbracht, anstatt uns auf den Feind zu konzentrieren.

Die Ausrüstung sollte eigentlich helfen, die Arbeit zu erledigen und nicht davon ablenken.

Das ist für das Militär eine gefährliche Situation: Die Ausrüstung sollte eigentlich helfen, die Arbeit zu erledigen und nicht davon ablenken. Deshalb ist es immer wichtig, dass man solche Projekte mit nüchternem Blick betrachtet und sich fragt, was tatsächlich einen Mehrwert bietet und was eher eine Bürde ist.

Trotz einer langen Mängelliste und Kostenüberschreitungen hält die US-Regierung weiterhin am F-35 Programm fest. Warum?

Wir nennen es auch ein Zombie-Programm, weil es nicht sterben kann. Es wurde so viel Zeit und Geld investiert. Zudem hat die grosse Mehrheit der Kongressabgeordneten ein politisches Interesse daran, dass das F-35 Programm fortbesteht. Die Zulieferfirmen für das Flugzeug sind im ganzen Land verteilt – und damit auch in den Wahlkreisen der Abgeordneten. Keiner von ihnen will diese Arbeitsplätze gefährden. Deshalb stimmt niemand gegen das F-35-Programm. So kommt es, dass wir unfertige Flugzeuge in Betrieb nehmen und ins Ausland verkaufen.

Der Hersteller Lockheed Martin verspricht der Schweiz, neue technische Möglichkeiten würden helfen, die Lebensdauerkosten zu senken und die Verfügbarkeit des Flugzeugs zu erhöhen. Wie realistisch ist das?

Entscheidungsträger rund um den Globus müssen sich bewusst sein, dass der F-35 nicht nur beim Kauf teuer ist, sondern auch hohe Betriebskosten mit sich bringt. Das umfasst etwa die Wartungskosten oder die Software für den Unterhalt und die Ersatzteilbewirtschaftung. Weil das Flugzeug zudem noch gar nicht fertig ist, kommen später zusätzliche Umrüstungskosten hinzu, um die ursprünglich geplanten Funktionen zu integrieren. Diese Entwicklungskosten schiebt der Hersteller allerdings einfach vor sich her. Sie fallen dann erst später bei der Umrüstung und Modernisierung an.

Das Gespräch führte Matthias Heim.

Der lange Weg zu den neuen Kampfjets – die Timeline

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  • 18.05.2014: Das Stimmvolk lehnt die Vorlage des Bundesrats ab, 22 Gripen E-Kampfjets anzuschaffen.
  • 08.11.2017: Richtungsentscheid des Bundesrats zur Erneuerung der Mittel zum Schutz des Luftraums und damit zum Kauf neuer Kampfjets.
  • 06.12.2018: Die BDP überweist die Motion «Luftwaffe. Grundsatzentscheid vor das Volk!» an den Bundesrat. Die Forderung: Das Stimmvolk soll entscheiden, ob neue Kampfflugzeuge beschafft werden sollen, losgelöst von der Typenfrage.
  • April-Juni 2019: Mögliche neue Kampfflugzeuge werden auf dem Militärflugplatz Payerne erprobt.
  • 27.9.2020: Das Schweizer Stimmvolk sagt mit 50.1 % Ja zu neuen Kampfflugzeugen.
  • 18.11.2020: Die Anbieter Airbus (Europa), Boeing (USA), Lockheed Martin (USA) und Dassault (F) reichen ihre Offerten ein.
  • 1. Quartal 2021: Ein Evaluationsbericht zu den neuen Flugzeugen wird erstellt.
  • Ende 2. Quartal 2021: Entscheidung des Bundesrats für einen Kampfjet-Typ.
  • Voraussichtlich ab 2025 bis 2030: Auslieferung der neuen Kampfflugzeuge.
  • 2030 bis 2060: Einsatzdauer der neuen Kampfjets.

Quelle: VBS.

Echo der Zeit, 17.11.2020, 18:00 Uhr.;

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