Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Kein Interesse an Gemeindeamt Amtszwang in Zuchwil: Wie macht man Gemeindeämter attraktiver?

In der Solothurner Gemeinde Zuchwil wird ein FDP-Gemeinderat ins Vizepräsidium gezwungen. Gibt es Alternativen?

Die Ausgangslage: Die viertgrösste Solothurner Gemeinde hat FDP-Gemeinderat Philippe Weyeneth gegen seinen Willen zum neuen Vize-Gemeindepräsidenten ernannt. Dies ist in Solothurn möglich, da der Kanton den Amtszwang kennt. Weyeneth wehrt sich gegen das neue Amt, es sei nicht mit seiner beruflichen Tätigkeit vereinbar, betont er gegenüber SRF. Nun hat er den Rücktritt vom Vizepräsidium bekanntgegeben, wie er eine Meldung der Solothurner Zeitung bestätigt.

Die Herausforderung: In zwei Wochen ist die nächste Gemeinderatssitzung in Zuchwil. Laut Gemeindepräsident Patrick Marti (SP) werde man dort entscheiden, ob der Rücktritt des Vize-Gemeindepräsidenten genehmigt werde oder nicht. Eine Alternative zu Weyeneth sehe er aber nicht: «Wir haben mit allen gesprochen.» Bis auf eine Person, die für das Amt zu alt ist, habe niemand Interesse gezeigt.

Gemeindeversammlung
Legende: Wie kann man Milizämter attraktiver machen? Politologe Willisegger sieht zuallererst finanzielle Lösungen. Keystone/Gian Ehrenzeller

Der Amtszwang: Meldungen wie jene aus Zuchwil sind keine Ausnahme. Sieben Kantone kennen einen solchen Amtszwang: Appenzell Innerrhoden, Luzern, Nidwalden, Uri, Wallis, Zürich und eben Solothurn. Dabei gibt es Ausnahmeregeln vom Amtszwang; vor allem bei gesundheitliche Gründen. Das Argument von Philippe Weyeneth mit der beruflichen Belastung wird nicht als Ausnahme gewertet. Die meisten Meldungen zum Amtszwang kommen aus kleinen Gemeinden, kaum je aus einer Gemeinde wie Zuchwil, die fast 10'000 Einwohnende zählt.

Wir haben nicht nur Bürgerrechte, sondern auch Bürgerpflichten.
Autor: Jonas Willisegger Professor für Public Management und Politik, Hochschule Luzern

Der Hintergrund: Der Amtszwang fusst im demokratischen Verständnis des Staates, sagt Jonas Willisegger, Professor für Public Management und Politik an der Hochschule Luzern. «Wir alle sind Teil des Staates und sollen Verantwortung übernehmen. Wir haben nicht nur Bürgerrechte, sondern auch Bürgerpflichten», sagt er. Dabei sei der Amtszwang ein letztes Mittel, damit eine Gemeinde beschlussfähig bleibe.

Das Risiko: Rund die Hälfte der Gemeinden in der Schweiz haben Schwierigkeiten, Exekutivämter zu besetzen, zeigt eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. Trotzdem ist Jonas Willisegger, skeptisch gegenüber dem Amtszwang: «Zwang ist ja nie wirklich eine gute Lösung.» Das Risiko für eine Gemeinde sei nicht zu unterschätzen, wenn sich eine neue Amtsperson kaum engagiere oder die Qualität der Arbeit schlecht sei.

Mikrofon an einer Gemeindeversammlung
Legende: Fehlendes Engagement für Gemeindepolitik: Fusionen oder Ausländerwahlrecht könnten Abhilfe schaffen. Keystone/Gian Ehrenzeller

Mögliche Lösungen: Politologe Jonas Willisegger rät betroffenen Gemeinden, die Arbeit in den Milizämtern attraktiver zu machen: «Da kann man einmal die Entschädigung anschauen. Was hat man da für einen Spielraum?» Eine Gemeinde könne natürlich auch andere finanzielle Anreize in Betracht ziehen: steuerliche Abzüge, Zusatzleistungen, Schulungen, Weiterbildung, Bildungsmöglichkeiten. Diese Lösungen kosteten Geld und kämen darum nicht für alle Gemeinden infrage.

Die Alternativen: Andere Ansätze vergrössern den Kandidatenpool: Laut Jonas Willisegger könne eine Gemeinde auch die Wohnsitzpflicht für Amtsträger aufheben oder allenfalls Ausländerinnen und Ausländer zulassen. Zudem sieht Politologe Willisegger auch Gemeindefusionen oder die Professionalisierung der Gemeindeverwaltung als Ausweg. Daneben sei es sicher eine gute Idee, Parteiarbeit und Jugendarbeit zu stärken.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 14.10.2025, 17:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel