- Zur jährlichen Tagung der Schweizer Rüstungsindustrie lud der Bund erstmals auch ausländische Militärattachés ein.
- Ein Militärvertreter Chinas nutzte die Chance und mischte sich unter die über 250 Führungskräfte aus der Rüstungsindustrie.
- Fachleute kritisieren die Einladung als heikel – wegen des Spionage-Risikos.
Das «Who's who» der Rüstungsindustrie traf sich letzte Woche in der Berner Kaserne zu Vorträgen, Diskussionen und einem Networking-Apéro. Kaderleute von Herstellern wie Ruag oder Rheinmetall folgten der Einladung des Bundesamts für Rüstung zur jährlichen Industrieorientierung, ebenso wie Verantwortliche von verschwiegenen, kleineren Firmen. Mitten unter ihnen: Der in Bern stationierte Militärattaché des autoritär geführten Chinas, ein mutmasslicher Angehöriger des Militärgeheimdienstes.
Gelegenheit, um Rekrutierungen vorzubereiten
Laut dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) geht die grösste Spionage-Bedrohung von Russland und China aus. Besonders im Visier sind laut NDB Leute mit privilegierten Zugängen zu sensiblen Gebieten – zum Beispiel Vertreter der Rüstungsindustrie.
Entsprechend kritisch sieht die Einladung der Historiker Adrian Hänni, der am Institut für Zeitgeschichte München zu Geheimdiensten forscht: «Das ist für einen chinesischen Militärattaché ein sehr interessanter Anlass. So kann er sich einen Überblick verschaffen über interessante Persönlichkeiten – um eine Beziehung aufzubauen und vielleicht später eine Rekrutierung zu versuchen.» Der Attaché könnte theoretisch auch versucht haben, mit technischen Geräten Handys und Laptops der Teilnehmenden auszuforschen. Das allerdings wäre wohl zu riskant gewesen, räumt Hänni ein.
Auch Ralph Weber, Professor für European Global Studies am Europainstitut der Universität Basel und Kenner des chinesischen Machtapparats, sieht Risiken: «Tagungen wie diese können ideal sein, um mögliche Spionageziele zu identifizieren.» China lasse viele Akteure geheimdienstlich arbeiten – zum Beispiel Leute in den jeweiligen Botschaften. Davor warne der NDB auch immer wieder. «Deshalb muss man im Umgang mit solchen Akteuren sehr vorsichtig sein.»
Rüstungschef sieht «geringes Spionage-Risiko»
Entspannter sieht es der Direktor des Bundesamts für Rüstung, Urs Loher. «Wir beurteilen das Spionage-Risiko als gering. Die Tagung war öffentlich und es wurden keine vertraulichen Informationen preisgegeben.» Bei bilateralen Gesprächen seien die Industrievertreter frei, zu sagen, was sie wollten und was nicht. Allerdings: Dem Vernehmen nach gab die chinesische Präsenz auch im Verteidigungsdepartement (VBS) zu reden.
Erstmals überhaupt waren ausländische Militärs eingeladen worden. Dies, weil ein westlicher Attaché um eine Teilnahme angefragt hatte. Daraufhin lud das VBS sämtliche Attachés ein – mit Ausnahme des russischen Vertreters. Nebst China nahmen aber nur Südkorea, Deutschland und Österreich teil.
Forscher rät von künftigen Einladungen ab
Loher will auch nächstes Jahr die Militärattachés einladen. Ziel sei es auch gewesen, den ausländischen Vertretern zu zeigen, dass die Schweiz dabei sei, die Exportregeln für Kriegsmaterial zu lockern. «Deshalb war es sogar gut, dass Attachés dabei waren.»
Adrian Hänni, der Geheimdienstforscher, kann das aus diplomatischer Sicht nachvollziehen. «Andererseits ist die Präsenz des chinesischen Militärattachés aus der Perspektive der Spionageabwehr sehr heikel und es gäbe gute Gründe, ihn nicht mehr dabei zu haben.»