Es ist ein Fall von Menschenhandel, der für Aufsehen sorgt: Ein Berner unterhielt jahrelang ein Bordell für Homosexuelle.
Er schleuste Männer aus Spanien, Venezuela, Brasilien oder Kolumbien in die Schweiz, quartierte die Opfer in seiner eigenen Wohnung ein und organisierte ihnen Kunden für die Sexarbeit, wie die Kantonspolizei am Dienstag Bern mitteilte.
Nach diesem Schlag gegen Menschenhandel mit 40 männlichen Sexarbeitern gibt der Leiter der Stadtberner Fremdenpolizei Einblicke in die Abgründe des Menschenhandels – und sagt, wie Behörden in solchen Fällen vorgehen.
SRF News: Wie gehen die Behörden konkret gegen Menschenhandel vor – wo beginnt die Suche?
Alexander Ott: Das ist ganz unterschiedlich. Oftmals haben wir Hinweise von extern. Da melden sich also Leute bei uns, bei einer anderen Dienststelle oder bei einer NGO. Weiter gibt es Kontrollen. Und in Bern machen wir so genannte Verbundskontrollen. Da gehen mehrere Organisationen interdisziplinär an eine Kontrolle. Wir nehmen auch NGOs mit. Diese sind auf die Merkmale bezüglich der Ausbeutung oder des Menschenhandels besonders sensibilisiert.
Sie sagen, dass sich Leute bei Ihnen melden. Wen meinen Sie da?
Meistens sind es Nachbarinnen und Nachbarn von Betrieben. Oder Opfer selber oder Bekannte von Opfern.
Die Opfer leben in einer Schuldknechtschaft.
Ermittlungen gegen Täterinnen und Täter im Menschenhandel dauern meist Jahre. Warum sind diese Fälle so kompliziert?
Meistens handelt es sich um Personen aus dem Ausland. Also müssen die ganzen Einvernahmen übersetzt werden. Weiter wollen oder können die Leute nur wenig aussagen. Denn sie leben in einer Schuldknechtschaft: Oftmals haben sich sich vor der Reise in die Schweiz verschuldet und müssen nun diesen Betrag abzahlen. So sind sie gar nicht motiviert, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Oftmals kommt auch noch dazu, dass sie sich gar nicht als Opfer betrachten. Dies, weil es ihnen hier besser geht als in ihrem Heimatland – wo sie überhaupt keine Perspektiven haben.
Viele Opfer von Menschenhandel leben ohne Aufenthaltsstatus in der Schweiz und fürchten sich deshalb vor den Behörden. Wie sorgt die Polizei dafür, dass diese Menschen trotzdem geschützt werden?
Mit den zuständigen NGOs hat man einen Schutzmechanismus. Die Leute sind in Schutzhäusern untergebracht. Zuerst müssen diese Personen stabilisiert werden. Sie sind oftmals sehr traumatisiert und haben kein Vertrauen in Behörden oder in staatliche Institutionen. Und dieses Vertrauen muss man zuerst gewinnen und ihnen dann aufzeigen, was sie für Möglichkeiten haben. Es kommt regelmässig vor, dass die Opfer wieder in ihr Heimatland zurück wollen.
Obwohl die Leute hier ausgebeutet werden, sind sie oft immer noch besser dran als in der Heimat.
Im Kanton Bern wurden dieses Jahr bereits drei Fälle von Menschenhandel aufgedeckt. Wie viele Fälle bleiben Ihrer Einschätzung nach im Verborgenen?
Aus meiner Sicht kennen wir nur die Spitze des Eisberges. Dies, weil es den Leuten in ihren Heimatländern schlecht geht; sie haben keine Perspektiven. Sie haben kein vernünftiges Leben und sind, obwohl sie hier ausgebeutet werden, immer noch besser dran als zuhause. In der Schweiz haben sie Essen, sie haben ein Dach über dem Kopf. Und diese Armutstreiber – das ist eigentlich das Hauptelement – sind es, die man bekämpfen sollte.
Das Interview führte Martina Koch.