Jede neunte Person über 60 Jahre hat Gewalt im häuslichen Betreuungsalltag erlebt oder beobachtet. Das zeigt eine repräsentative Umfrage von Pro Senectute Schweiz, die diesen Sommer veröffentlicht wurde.
Bei den Teilnehmenden handelt es sich um Pflegepersonal in Altersheimen, Spitex sowie Angestellte und Auszubildende im Gesundheitsbereich oder auch Angehörige, sagt Francesca Ravera, Leiterin des Pro Senectutedienstes Promotione Qualità di vita.
Dabei handelt es sich am häufigsten um psychische Gewalt wie Demütigung oder Einschüchterung. Aber auch körperliche Gewalt oder Vernachlässigung sind Thema. Pro Senectute fordert deshalb mehr Sensibilisierung und Schulungen von Angehörigen und Gesundheitspersonal.
Schulungen im Tessiner Gesundheitswesen
Solche Schulungen von Pro Senectute gibt es im Tessin bereits seit mehreren Jahren. Jährlich werden dort rund 2000 Fachpersonen und Lernende im Gesundheitsbereich geschult.
Es ist nicht einfach. Ältere Menschen sprechen normalerweise nicht darüber.
«Es ist nicht einfach. Ältere Menschen sprechen normalerweise nicht darüber. Sie kommen meist zu uns, weil jemand sie dazu aufgefordert hat.» Sie wissen Ravera zufolge oft nicht, ob das, was sie erleben, eine Form von Misshandlung oder Missbrauch ist, weil für sie selbst die Pflege viel Stress bedeutet.
Dies bestätigt auch die Umfrage. So kann sich jede fünfte Person vorstellen unter Gewalt im Alter gar nichts vorstellen. Körperliche Gewalt wie grobes Anfassen, Stösse oder gar Schläge sind einfacher zu erkennen als verbale Gewalt wie Beleidigungen, Beschimpfungen oder Schreien.
Bewusstsein schärfen
Seit dem rund 10-jährigen Bestehen des Angebots im Tessin seien die Zahlen von Gewalt im Alltag im Kanton gestiegen, weil eben das Bewusstsein dafür gestiegen sei, auch die subtileren Formen der Misshandlung zu erkennen, so Ravera in der nationalen Umfrage.
Im Auftrag von Pro Senectute wünschen sich dann auch die meisten der 1204 Befragten mehr Beratungen oder Angebote. Deshalb brauche es mehr Dienstleistungen wie jene im Tessin, ist Pro Senectute der Schweiz überzeugt. Denn durch diese kann das Bewusstsein geschärft – und die Gewalt künftig reduziert werden.