Guy Parmelin startet im Hoch ins Präsidialjahr, nachdem er vor knapp drei Wochen der Schweizer Öffentlichkeit die Einigung im Zollstreit mit den USA verkünden konnte. Dem Wirtschaftsminister gelang das, was Finanzministerin Karin Keller-Sutter verwehrt blieb: ein Deal mit der Trump-Administration.
An das Amt als Bundespräsident dürfte Parmelin beste Erinnerungen haben. Denn 2021 war er Gastgeber der Gespräche zwischen dem damaligen US-Präsidenten Joe Biden und Russlands Präsident Wladimir Putin in Genf. Ein so staatsmännischer Auftritt – das hatte ihm kaum einer zugetraut, als er am 30. Oktober 2015 seine Kandidatur für den Bundesrat ankündigte.
Die Schweiz diskutierte vielmehr darüber, ob mit Norman Gobbi nicht wieder ein Tessiner an der Reihe sei. Das Westschweizer Fernsehen fragte Parmelin gar, ob das nicht eine Alibi-Kandidatur sei, damit es auch einen Kandidaten aus der Romandie gebe – pas du tout, entgegnete Parmelin. Er müsse sich jetzt bekannt machen und überzeugen.
Das gelang ihm offenbar, auch wenn seine Englischkenntnisse im Bewerbungsprozess eher ungenügend waren. Das weckte bei vielen Zweifel, ob der Nationalrat aus der Waadt dem Amt als Bundesrat gewachsen ist. Zudem hatte er 1992 für den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gestimmt – wie die Mehrheit der Westschweiz, aber anders als die SVP.
EWR-Ja rückblickend ein «Fehler»
Parmelin sagt über sein damaliges EWR-Ja: «Ja, manchmal macht man Fehler im Leben, und man muss das erkennen.» Damals habe er als Bauer gedacht, das wäre vielleicht eine gute Sache, um die Kosten zu senken. Das Problem der Souveränität habe er nicht gesehen.
Bundespräsidentenwahlen – Tops und Flops der letzten 50 Jahre
-
Bild 1 von 14. Es ist ein Spitzenresultat: Mit 203 von 210 Stimmen wird Guy Parmelin zum Bundespräsidenten für das Jahr 2026 gewählt. Vor knapp drei Wochen gelang dem Wirtschaftsminister einen Deal mit der Trump Administration im Zollstreit mit den USA. Diese Leistung hat das Schweizer Parlament wohl überzeugt. Bildquelle: KEYSTONE/Anthony Anex.
-
Bild 2 von 14. Weniger überzeugt hatte das Parlament wohl die Arbeit des damaligen Gesundheitsminister Alain Berset: Mit nur 140 Stimmen wurde er im Dezember 2022 zum neuen Bundespräsidenten gewählt. Während der Pandemie büsste Berset in Bundesbern an Beliebtheit ein. Zahlreiche Ratsmitglieder legten leer ein oder vergaben ihre Stimmen anderweitig. Bildquelle: KEYSTONE/Peter Klaunzer.
-
Bild 3 von 14. Ein ebenfalls schlechtes Ergebnis erzielte Ignazio Cassis im Dezember 2021. Damals noch mit Maske, wurde Cassis mit 156 Stimmen zum neuen Bundespräsidenten gewählt. Viele Parlamentarier waren mit Cassis' Aussenpolitik nicht zufrieden, insbesondere wegen dem Abbruch der Verhandlungen zum institutionellen Rahmenabkommen mit der EU im Frühjahr 2021. Bildquelle: KEYSTONE/Peter Klaunzer.
-
Bild 4 von 14. Bei seiner Wahl zum Bundespräsidenten für das Jahr 2019 hatte Ueli Maurer allen Grund zur Freude: Mit 201 Stimmen erhielt der Bundesrat eine Glanzleistung. Als Finanzminister machte sich Maurer in Bundesbern einen guten Ruf und seine Arbeit wurde breit anerkannt. Bildquelle: KEYSTONE/Peter Schneider.
-
Bild 5 von 14. Sechs Jahre zuvor sah das noch anders aus: Mit 148 Stimmen wurde Maurer im Jahr 2012 zum Bundespräsidenten gewählt. Damit erhielt er nur eine Stimme mehr als das absolute Mehr. Maurer war unter Beschuss geraten, weil er sich trotz breiter Kritik für den Gripen-Kampfjet entschieden hatte. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 6 von 14. In Genf beliebt, in Bundesbern weniger: Micheline Calmy-Rey erzielte 2010 als Bundespräsidentin das schlechteste Ergebnis überhaupt (106 Stimmen). Vor der Wahl war sie für ihre Rolle in der Libyen-Affäre hart kritisiert worden. Ihr wurde vorgeworfen, dass sie den Gesamtbundesrat zu spät über eine Befreiungsaktion der beiden Geiseln informiert habe. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 7 von 14. Vier Jahre zuvor, im Dezember 2006, war es Micheline Calmy-Rey noch (ein bisschen) besser ergangen: Damals erhielt sie 147 von 246 möglichen Stimmen. Dennoch war es das zweitschlechteste Ergebnis bei einer Bundespräsidentenwahl. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 8 von 14. Damals wars noch ein Küken, kein Ferkel: Bundespräsident René Felber (links) zu Besuch an der Olma. Mit 158 Stimmen erreichte er 1991 das damals historisch schlechteste Resultat. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 9 von 14. Auch nicht gerade populär unter den Parlamentariern: Im Jahr 2006 erhielt der damalige Umweltminister Moritz Leuenberger 159 Stimmen bei der Wahl zum Bundespräsidenten. Die SVP-Fraktion hatte im Vorfeld der Wahl aufgerufen, nicht für Leuenberger zu stimmen. Die Partei kritisierte ihn für seine Amtsführung als Departementschef. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 10 von 14. Steht am anderen Ende der Bestenliste: Jean-Pascal Delamuraz. 201 Parlamentarier wählten ihn Ende 1988 zum Bundespräsidenten. In dieser Funktion eröffnete der Waadtländer FDP-Politiker im März 1989 den 59. Autosalon in Genf (Bild). Bildquelle: Keystone.
-
Bild 11 von 14. Er hatte eigentlich gar nicht Bundesrat werden wollen: FDP-Bundesrat Fritz Honegger (links), hier beim Gespräch mit dem US-Präsidenten Jimmy Carter 1982 in Bern. Als er 1969 erstmals angefragt wurde, lehnte er das Amt ab. Dennoch wurde er 1977 zum Bundesrat und 1981 zum Bundespräsidenten gewählt – mit 210 Stimmen. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 12 von 14. 212 Bundesparlamentarier schrieben im Jahr 1978 den Namen von CVP-Bundesrat Hans Hürlimann auf den Stimmzettel. Legendär wurde eine Aussage in der Rede, welche er anlässlich der Eröffnung des Gotthard-Strassentunnels im Jahre 1980 hielt. Er versprach, dass der Tunnel «niemals ein Korridor für den Schwerverkehr» werde. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 13 von 14. Er führt die Bestenliste an, zusammen mit Willi Ritschard: SP-Bundesrat Hans Peter Tschudi (links), gewählt im Jahr 1969 mit 213 Stimmen. Hier begrüsst er den indischen Staatspräsidenten V. V. Giri, der zu einem zweitägigen Staatsbesuch in der Schweiz weilt. Tschudi wird oft als «Vater der AHV» bezeichnet, weil er die AHV wesentlich ausbaute. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 14 von 14. Den ersten Platz teilt sich Tschudi mit SP-Bundesrat Willi Ritschard (links, hier mit Bundesrat Leon Schlumpf). Bei seiner Wahl 1977 stimmten 213 Parlamentarier für ihn. Wegen seiner volksnahen Sprache war Ritschard in der Bevölkerung sehr populär. Von ihm stammt der Spruch: «Je höher der Affe klettert, desto besser sieht man seinen Hintern.». Bildquelle: Keystone.
Trotz des Ja zum EWR setzte sich der Landwirt aus Bursins VD durch. Nach zwei Jahren im Verteidigungsdepartement wechselte er 2019 ins Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Und ausgerechnet er, der seine Kandidatur im Eurotel in Montreux bekannt gegeben hatte, der für den EWR gewesen war, überbrachte Brüssel 2021 die Schweizer Absage zum Rahmenabkommen.
Anerkennung auch vom politischen Gegner
Sowohl damals als auch beim neuen Anlauf für das Vertragspaket zwischen der Schweiz und der EU gab sich Parmelin kollegial. Das anerkennt auch SP-Co-Präsident Cédric Wermuth: «Ich würde sagen, Europa ist für mich die grösste positive Überraschung. Da hat er sich auch gegen seine eigene Partei für den Schutz der Sozialpartnerschaft bisher durchgesetzt.» Bei den USA hätten er und Parmelin eine unterschiedliche Meinung zur Frage, wie man das mache.
Bescheiden, loyal und kollegial sind Begriffe, die zur Personalie Parmelin oft im Bundeshaus zu hören sind. Weil Parmelin während der Coronapandemie nie im Hemd der Freiheitstrychler zu sehen war, wie sein damaliger SVP-Bundesratskollege Ueli Maurer. Parmelin verteidigte Gesundheitsminister Alain Berset auch gegen den Vorwurf, er sei ein Diktator.
Stets unterschätzt
Für FDP-Fraktionschef Damien Cottier profitiert Parmelin immer noch davon, dass er unterschätzt wird. «Er hat diese Bescheidenheit. Das kann vor allem eine Stärke sein, dass die Leute ihn unterschätzen. Und bei ihm ist das der Fall.»
Jetzt ist Parmelin wieder Bundespräsident. Der Waadtländer ist im Amt staatsmännischer geworden, als es ihm viele zugetraut hätten. Die Messlatte liegt nach der Zolleinigung aber hoch beim Start ins Präsidialjahr.