Billiges Kokain hat die Drogenszene in der Schweiz verändert. Seit mehr Koks in Form von «Crack» oder «Freebase» geraucht wird, verschärfen sich die Probleme, wo öffentlich konsumiert und gedealt wird. Das bringt Konflikte in grösseren und kleineren Städten: in Zürich, Basel und Genf ebenso wie in Olten oder St. Gallen.
Wer Kokain konsumiert hat, wird angetriebener, lauter und konflikthafter.
Seit etwa einer Dekade dominiert Koks, das zunehmend geraucht wird – nicht mehr Heroin, das Süchtige nach dem Schuss träge macht. «Man merkt jemandem an, wenn er Kokain konsumiert hat: Sie werden angetriebener, lauter und konflikthafter», sagt Regine Steinauer, Leiterin der Abteilung Sucht im Gesundheitsdepartement Basel-Stadt.
Zudem sei die Hemmschwelle tiefer, in der Öffentlichkeit Drogen zu rauchen, als sich eine Spritze zu setzen. Doch beim Rauchen ist der Rausch viel schneller vorbei. Das stresst die Süchtigen, die den nächsten Kick suchen.
In Basel macht deswegen der Matthäusplatz gerade wieder Negativschlagzeilen. Konsumiert wird am helllichten Tag, Geschrei hallt durch die Nacht, und Gewalt ist Alltag. «Nächtelang nicht durchschlafen zu können, ist etwas vom Schlimmsten», sagt Anwohnerin Käthi Grossenbacher Iseli.
Eltern im Quartier verunsichert
Schon nachmittags um vier Uhr werde offen Stoff präpariert, sagt sie, vor Kleinkindern auf dem Spielplatz bei der Kirche und Schulkindern auf dem Weg in den Unterricht. Deswegen wenden sich nun viele verunsicherte Eltern an das Stadtteilsekretariat Kleinbasel, wie dessen Co-Leiterin Theres Wernli feststellt.
Das erinnert an die offene Drogenszene der 1980er-Jahre. Damals wurde ein «Drogenstammtisch» von Behörden mit Anwohnenden, Fachleuten und manchmal auch Süchtigen eingeführt, der zur Verbesserung beitrug – neben anderen Faktoren wie Gassenzimmer und Heroinabgabe.
Als vor zwei Jahren die Situation um den Matthäusplatz wieder eskalierte, hat das Stadtteilsekretariat zusammen mit dem Onlinemedium «Bajour» den Drogenstammtisch reaktiviert. Doch das alte Rezept ist nicht so einfach auf die neue Lage anwendbar, wie sich jetzt zeigt: «Dieses Jahr ist es wieder ähnlich», sagt Co-Leiterin Theres Wernli.
Gesucht: Ersatzstoff und Logis für Süchtige
Dabei haben die Behörden nach Hilferufen aus dem Quartier von 2023 gehandelt: In Basler Drogenabgabestellen gibt es jetzt mehr Raucherplätze, mehr Sozialarbeitende sprechen auf der Strasse Süchtige an, und auch die Polizei ist schwerpunktmässig beim Matthäusplatz aktiv.
Mit Konsumierenden beim Spielplatz sprächen sie Klartext, sagt der Basler Polizeisprecher Stefan Schmitt. «Das stösst oft auf viel Verständnis, leider aber nur, bis der Konsumdruck wieder steigt.»
Die Situation ist nicht so, wie wir sie gerne hätten – sie ist unschön.
«Die Situation ist nicht so, wie wir sie gerne hätten – sie ist unschön», fasst Regine Steinauer vom Gesundheitsdepartement zusammen. Es brauche darum noch mehr Effort, um die Leute von der Gasse wegzubekommen.
Unter anderem fehle derzeit eine medikamentöse Behandlung für Kokainabhängige, wie dies mit Methadon für Heroinsüchtige gemacht wird. Schon beschlossen seien Wohnprojekte für Süchtige wie ein Haus mit Concierge-Dienst. Doch geeignete Liegenschaften seien schwer zu finden.
Beides wären neue Schritte auf dem alten Schweizer Weg der Vier-Säulen-Politik mit Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression. Dieser war gegen die offenen Drogenszenen der 1980er-Jahre erfolgreich, ist nun jedoch mit dem Kokain-Problem schwieriger geworden.