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Offene Drogenszene Crack-Süchtige bringen Basler Quartierbevölkerung um den Schlaf

Die Drogenszene beschäftigt Basel wieder. Am Hotspot Matthäusplatz haben zwei Jahre Effort wenig verbessern können.

Billiges Kokain hat die Drogenszene in der Schweiz verändert. Seit mehr Koks in Form von «Crack» oder «Freebase» geraucht wird, verschärfen sich die Probleme, wo öffentlich konsumiert und gedealt wird. Das bringt Konflikte in grösseren und kleineren Städten: in Zürich, Basel und Genf ebenso wie in Olten oder St. Gallen.

Wer Kokain konsumiert hat, wird angetriebener, lauter und konflikthafter.
Autor: Regine Steinauer Leiterin Abteilung Sucht im Gesundheitsdepartement BS

Seit etwa einer Dekade dominiert Koks, das zunehmend geraucht wird – nicht mehr Heroin, das Süchtige nach dem Schuss träge macht. «Man merkt jemandem an, wenn er Kokain konsumiert hat: Sie werden angetriebener, lauter und konflikthafter», sagt Regine Steinauer, Leiterin der Abteilung Sucht im Gesundheitsdepartement Basel-Stadt.

Zudem sei die Hemmschwelle tiefer, in der Öffentlichkeit Drogen zu rauchen, als sich eine Spritze zu setzen. Doch beim Rauchen ist der Rausch viel schneller vorbei. Das stresst die Süchtigen, die den nächsten Kick suchen.

Matthäusplatz
Legende: Der Platz um die Matthäuskirche im Kleinbasel lockt neben Quartierbewohnenden auch Drogensüchtige an, die rund um die Uhr Unruhe verbreiten und die Anwohnerschaft um den Schlaf bringen. Konsumiert wird auch vor den Augen spielender Kinder. (Archivbild) zVg. Kanton Basel-Stadt, Bilddatenbank

In Basel macht deswegen der Matthäusplatz gerade wieder Negativschlagzeilen. Konsumiert wird am helllichten Tag, Geschrei hallt durch die Nacht, und Gewalt ist Alltag. «Nächtelang nicht durchschlafen zu können, ist etwas vom Schlimmsten», sagt Anwohnerin Käthi Grossenbacher Iseli.

Eltern im Quartier verunsichert

Schon nachmittags um vier Uhr werde offen Stoff präpariert, sagt sie, vor Kleinkindern auf dem Spielplatz bei der Kirche und Schulkindern auf dem Weg in den Unterricht. Deswegen wenden sich nun viele verunsicherte Eltern an das Stadtteilsekretariat Kleinbasel, wie dessen Co-Leiterin Theres Wernli feststellt.

Solothurn: System stösst an seine Grenzen

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Person erhitzt Metalllöffel mit Bunsenbrenner.
Legende: Im Kanton Solothurn gibt es zwei Konsumationsräume, aber zu wenige Wohnungen für Süchtige. SRF

Wie andere Schweizer Kantone kämpft Solothurn wieder vermehrt gegen das Suchtproblem. Durch die zentrale Lage ist der Kanton Anziehungspunkt für Süchtige aus einer grösseren Region. Im Kanton gibt es zwei Konsumationsräume: in Olten und Solothurn. Das System stosse an seine Grenzen, hiess es vor rund eineinhalb Jahren seitens Kanton. Noch mehr Suchtkranke gingen nicht.

Die Situation sei seitdem nicht besser geworden – aber auch nicht schlechter, sagt der Leiter des Solothurner Amts für Gesundheit, Peter Eberhard. «Die Zahl der Crackkonsumierenden in den Kontakt- und Anlaufstellen hat sich stabilisiert.» Die Lage sei aber weiterhin sehr anspruchsvoll.

Knackpunkt Dach über dem Kopf

Und: Die Lebensumstände der Suchtkranken seien schlechter geworden. Das grösste Problem sei die Obdachlosigkeit, so Karin Stoop, Geschäftsführerin der «Perspektive Region Solothurn-Grenchen». Der Verein betreibt unter anderem den Konsumationsraum und die Gassenküche in der Stadt Solothurn.

30 bis 40 Suchtkranke in der Region seien obdachlos – eine Belastung für diese Personen, aber auch für die Öffentlichkeit. Eigentlich wären die Gemeinden für die Unterbringung zuständig. Wohnungen für Crack-Süchtige zu finden, sei aber sehr schwierig. «Sie haben keinen geregelten Tages- und Nachtablauf und sind je nachdem sehr laut. Das ist in einem Mehrfamilienhaus schwierig», sagt Gesundheitsamtschef Eberhard. Die Gemeinden suchen darum Lösungen. Eine Möglichkeit ist ein institutionalisiertes Wohnangebot mit minimaler Betreuung.

Das erinnert an die offene Drogenszene der 1980er-Jahre. Damals wurde ein «Drogenstammtisch» von Behörden mit Anwohnenden, Fachleuten und manchmal auch Süchtigen eingeführt, der zur Verbesserung beitrug – neben anderen Faktoren wie Gassenzimmer und Heroinabgabe.

Crack-Raucher
Legende: In den USA hat die Crack-Welle schon vor Jahrzehnten grosse Probleme verursacht – so wurde der Stoff 1993 in New York geraucht. In der Folge schwappte sie nach Europa über und ist nun in der Schweiz angekommen. Keystone / AP / Joe Tabacca

Als vor zwei Jahren die Situation um den Matthäusplatz wieder eskalierte, hat das Stadtteilsekretariat zusammen mit dem Onlinemedium «Bajour» den Drogenstammtisch reaktiviert. Doch das alte Rezept ist nicht so einfach auf die neue Lage anwendbar, wie sich jetzt zeigt: «Dieses Jahr ist es wieder ähnlich», sagt Co-Leiterin Theres Wernli.

Gesucht: Ersatzstoff und Logis für Süchtige

Dabei haben die Behörden nach Hilferufen aus dem Quartier von 2023 gehandelt: In Basler Drogenabgabestellen gibt es jetzt mehr Raucherplätze, mehr Sozialarbeitende sprechen auf der Strasse Süchtige an, und auch die Polizei ist schwerpunktmässig beim Matthäusplatz aktiv.

Mit Konsumierenden beim Spielplatz sprächen sie Klartext, sagt der Basler Polizeisprecher Stefan Schmitt. «Das stösst oft auf viel Verständnis, leider aber nur, bis der Konsumdruck wieder steigt.»

Die Situation ist nicht so, wie wir sie gerne hätten – sie ist unschön.
Autor: Regine Steinauer Leiterin Abteilung Sucht im Gesundheitsdepartement BS

«Die Situation ist nicht so, wie wir sie gerne hätten – sie ist unschön», fasst Regine Steinauer vom Gesundheitsdepartement zusammen. Es brauche darum noch mehr Effort, um die Leute von der Gasse wegzubekommen.

Basler Matthäusplatz vor der Kirche
Legende: Der Platz vor der Matthäuskirche ist jeden Samstag beliebter Marktplatz für regionale Produkte und lockt Kundschaft auch aus anderen Basler Quartieren an. zVg. Kanton Basel-Stadt, Bilddatenbank

Unter anderem fehle derzeit eine medikamentöse Behandlung für Kokainabhängige, wie dies mit Methadon für Heroinsüchtige gemacht wird. Schon beschlossen seien Wohnprojekte für Süchtige wie ein Haus mit Concierge-Dienst. Doch geeignete Liegenschaften seien schwer zu finden.

Beides wären neue Schritte auf dem alten Schweizer Weg der Vier-Säulen-Politik mit Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression. Dieser war gegen die offenen Drogenszenen der 1980er-Jahre erfolgreich, ist nun jedoch mit dem Kokain-Problem schwieriger geworden.

Regionaljournal Basel Baselland, 30.9.2025, 17:30 Uhr ; 

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