Der Konsum von Kinderpornografie ist strafbar, weil er eine Nachfrage nach Videos schafft, für deren Herstellung Kinder sexuell missbraucht werden. Mittlerweile gibt es jedoch auch gezeichnete Mangas oder mit künstlicher Intelligenz generierte Bilder. Diese können hergestellt werden, ohne dass ein Kind körperlich zu Schaden kommt.
Dass diese Bilder dennoch verboten sind, wird in Wissenschaft und Praxis zunehmend infrage gestellt. «Manche argumentieren, es sei klüger, Pädophilen etwas zur Verfügung zu stellen, für das keine Kinder leiden mussten», sagt der forensische Psychologe Jérôme Endrass. Das könnte den Konsum «echter» Kinderpornos mit realem Missbrauch senken.
Wissenschaftlich wisse man aber noch wenig darüber, im Moment handle es sich nur um Expertenmeinungen.
«Gefährliche Verharmlosung»
Die Stiftung Kinderschutz Schweiz lehnt eine Legalisierung künstlich hergestellter Kinderpornografie strikt ab: «Das wäre eine gefährliche Verharmlosung», sagt Direktorin Regula Bernhard Hug.
Sie gibt zu bedenken, dass eine KI mit echtem Material gefüttert werden musste. Und dass es für betroffene Kinder enorm belastend sei, nicht zu wissen, ob und wer die beschämenden Bilder gesehen habe.
Lieber künstliche Bilder als echte Kinder
Auch der forensische Psychiater Frank Urbaniok hält das Verbot grundsätzlich für richtig. «Es ist ein wichtiges Signal, dass die Gesellschaft sexuellen Missbrauch verurteilt.» In Ausnahmefällen aber könnte er sich vorstellen, Pädosexuellen Zugang zu künstlichem Material zu geben.
Das emotionale und sexuelle Interesse an Kindern sei ähnlich wie eine sexuelle Orientierung nicht änderbar. «Das haben sich die Menschen nicht ausgesucht, sie müssen damit leben.» Und sich kontrollieren. Der Konsum von Bildern könnte dabei helfen – aber nur bei einer bestimmten Gruppe.
Sowohl Urbaniok als auch Endrass unterscheiden zwei Tätertypen: Es gebe Pädosexuelle, die ihre Fantasien mühelos von der Realität unterscheiden und ihr Verhalten kontrollieren könnten. «Für diese Personen ist es sinnvoll, dass sie ihre Bedürfnisse in der Fantasie ausleben, weil dadurch das Risiko für Übergriffe sinkt», sagt Urbaniok. Sie hätten mit KI-Bildern eine Art Ventil.
Therapeutischer Einsatz denkbar – aber nur für wenige
Für diese Gruppe halten beide Experten eine kontrollierte Abgabe von KI-Kinderpornos für denkbar – ähnlich wie die Methadon-Abgabe an Heroinsüchtige. Beide warnen allerdings auch, es gebe eine Minderheit, die Fantasie und Realität nicht unterscheiden könne. Für diese Personen erhöhe der Kinderporno-Konsum tatsächlich das Risiko, eine Tat zu begehen. Diesen Personen dürfe man keinesfalls Zugang zu Kinderpornos verschaffen.
Ein eng kontrollierter therapeutischer Einsatz wäre sogar für Kinderschutz Schweiz grundsätzlich denkbar. «Bei diagnostizierten Pädophilen könnten wir uns einen Einsatz von künstlich hergestelltem pädosexuellem Material zu therapeutischen Zwecken vorstellen», so Bernhard Hug.
Allerdings funktioniere das wohl nur bei Wenigen. «Viele Kinderporno-Konsumenten sind gar nicht pädophil veranlagt», gibt Bernhard Hug zu bedenken. Manchen geht es um Sadismus und Macht, krankhafte Neugier oder Faszination am Tabubruch. «Solche Personen werden mit KI-Pornografie nicht abgeholt», so Bernhard Hug. Wenn das Material nicht echt ist, verliert es für diese Personen seinen Reiz.