- Bei einer Rettungsgrabung in Gebenstorf AG wurde mehr gefunden als erwartet.
- Die Fachleute gingen eigentlich von einem Warenumschlagplatz der Römer aus.
- Nun ist klar: Hier befand sich ein politisches und rechtliches Zentrum des Römischen Imperiums.
- Zudem haben Archäologen das erste Mal in der Schweiz Sardinen aus der Römerzeit nachgewiesen.
Immer wieder werden im Aargau Funde aus der Römerzeit entdeckt. 14 Monate wurde auf einem Gelände in Gebenstorf gegraben, bevor hier eine Wohnüberbauung entsteht. Die Forschenden hatten grosse Erwartungen an die Ausgrabung an der Limmat. Und ihre Erwartungen wurden sogar noch übertroffen.
Vor einem Jahr noch glaubten die Archäologen, dass hier ein römisches Legionslager oder ein Warenumschlagplatz gewesen sein könnte. Nun teilt der Kanton Aargau mit, dass ein ganzer römischer Baukomplex gefunden wurde, der vermutlich noch viel grösser war als die Grabungsstelle.
Eine ganze Stadt?
Die wissenschaftliche Nachbearbeitung der Funde habe neue Erkenntnisse hervorgebracht, freut sich der Aargauer Kantonsarchäologe Thomas Doppler. Die Fachleute konnten eine Visualisierung erstellen, wie es gegen Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus an der Limmat ausgesehen haben könnte.
Es standen wohl drei Gebäude am Fluss, vermutlich Abteilungen der elften Legion. «Hier an der Limmat kamen Wasser- und Landwege zusammen. Es war wohl eine stadtartige Siedlung, die nie vollendet wurde», vermutet der Kantonsarchäologe.
Konkret wurden eine Pfeilerhalle, die wahrscheinlich als Lager diente, ein römischer Marktplatz (Forum) und ein drittes Gebäude aus Räumen, Gängen, Korridoren und Höfen entdeckt. «Es ist unklar, wofür das dritte Gebäude genau war», so Kantonsarchäologe Thomas Doppler. Er vermutet ein Wohn- oder Empfangsgebäude.
Gut möglich, dass der ganze Gebäudekomplex noch viel grösser war, als die Grabung zeigt. «Die südlichen Abschlüsse aller drei Bauten liegen ausserhalb der Grabungsfläche und sind möglicherweise bis heute unter der aktuellen Kantonsstrasse noch erhalten.»
Amphore mit Sardinen
Die Archäologinnen und Archäologen fanden viele Scherben von Amphoren. Das Grabungsteam fand aber auch eine vollständig erhaltene Amphore, mit «merkwürdig grauweissen Sedimenten» im Innern.
Die Universität Basel konnte die Sedimente so fein sieben, dass am Schluss nur noch winzige Knochen übrig blieben. Bei den Knochen handelt es sich um Fischreste, um Sardinen. Dieser Nachweis von Sardinen aus der Römerzeit ist der erste dieser Art in der Schweiz.
Eindrücke der Grabungen in Gebenstorf AG
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Bild 1 von 3. Bildquelle: Kanton Aargau.
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Bild 2 von 3. Bildquelle: Kanton Aargau.
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Bild 3 von 3. Bildquelle: Kanton Aargau.
Die Knöchelchen lagen in der Amphore einst in einer Art Flüssigkeit. Deren Überreste wurden ebenfalls analysiert. «Es handelte sich dabei um Fischsauce, eines der beliebtesten Würzmittel der Antike», sagt Kantonsarchäologe Thomas Doppler.
Exportschlager Fischsauce
Die Römer gehörten gemäss Kantonsarchäologie zu den ersten Gesellschaften, die Fischressourcen umfassend nutzten und grosse Salz- und Konservierungsanlagen für die Produktion von Fischsaucen errichteten.
Wo genau die Fische und Sardinen gefangen wurden, ist nicht klar. Fachleute haben unterdessen die Amphore ausgewertet. Diese stamme wohl von der Küste der römischen Provinz Baetica, dem heutigen Andalusien, oder aus der heutigen Gegend von Lyon.
Die archäologischen Auswertungen laufen weiter. Schon jetzt ist klar: Der Fundort in Gebenstorf liefere konkrete Belege, wie Warenhandel in der Römerzeit passiert sein könnte, freut sich der Aargauer Kantonsarchäologe Thomas Doppler.