Die Rüstungsindustrie ist unter Druck: Staaten wie Deutschland wollen die Schweiz wegen der strengen Exportregeln meiden. Seit Jahren ringt die Politik um eine mehrheitsfähige Lockerung beim Kriegsmaterialexport. Jetzt haben sich die bürgerlichen Bundesratsparteien auf eine Lösung geeinigt, wie SRF-Recherchen zeigen.
Bremserin im bürgerlichen Lager war bislang die SVP: Sie fürchtete um die Neutralität und befürchtete Widersprüche zu ihrer Neutralitäts-Initiative, falls der Export von Waffen und Munition zu stark gelockert würde. Dass Schweizer Waffen in die Ukraine gelangen, will die SVP verhindern. Nun aber haben sich FDP, Mitte-Partei und SVP auf eine Lösung verständigt. «Die SVP-Fraktion trägt diesen Vorschlag uneingeschränkt mit», sagt Fraktionschef Thomas Aeschi.
Lockerung, aber mit «Neutralitätsbremse»
Der Vorschlag hat viel Rückenwind – auch aus dem Verteidigungsdepartement: Rüstungschef Urs Loher spricht von einem entscheidenden Schritt, um verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen. «Sonst ist es unmöglich, die Rüstungsindustrie auf- und auszubauen, und wir wären total abhängig vom Ausland», so Loher.
Das will der Vorschlag:
- Im Grundsatz dürfen alle Länder künftig in der Schweiz gekaufte Rüstungsgüter weitergeben.
- Allerdings kann der Bundesrat im Einzelfall eine Garantie verlangen, dass das Rüstungsmaterial im Käuferland bleibt – zum Beispiel bei neutralitäts-, aussen- oder sicherheitspolitischen Bedenken.
- Eine Gruppe von 15 westlichen Ländern soll Privilegien erhalten: Auch wenn sie in einen Krieg verwickelt sind, dürfen sie in der Schweiz Rüstungsgüter kaufen.
- Ausgeschlossen sind aber Lieferungen, wenn ein Land die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt. Zudem erhält der Bundesrat ein Vetorecht, zum Beispiel, wenn er die Neutralität gefährdet sieht.
Schweizer Waffen für Ukraine bleiben ausgeschlossen
Für die SVP sind die Vorbehalte bezüglich Neutralität wichtig, die in den Vorschlag eingeflossen sind. Offenbar gibt es auch eine Absprache mit Wirtschaftsminister Guy Parmelin: Dieser soll im Parlament klarmachen, dass der Bundesrat auch mit den neuen Regeln Lieferungen Richtung Ukraine nicht bewilligen würde.
Interessant ist die Position der Mitte-Partei. Sie hatte vor dem Ukraine-Krieg noch mitgeholfen, die Regeln zu verschärfen. Nun aber unterstütze sie die Lockerung, wie Mitte-Nationalrat Reto Nause ankündigt: «Die Zeiten haben sich dramatisch gewandelt in den letzten vier, fünf Jahren», so Nause.
Linke kündigen Referendum an
Nächsten Montag behandelt die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats den Vorschlag und im Dezember entscheiden National- und Ständerat. Wenn die bürgerliche Koalition hält, sind Mehrheiten sicher – gegen den Widerstand von SP und Grünen. Das Gesetz sei heute bereits löchrig, kritisiert SP-Ständerätin Franziska Roth. Heute bereits gelange Schweizer Kriegsgerät in Unrechtsstaaten. «Nun will dieser Vorschlag die Löcher sogar noch vergrössern. Das geht gar nicht.» Sollte der Vorschlag durchkommen, werde eine Allianz aus SP, Grünen und weiteren Organisationen das Referendum ergreifen.
Mitgearbeitet am bürgerlichen Vorschlag hat der Industrieverband Swissmem. Direktor Stefan Brupbacher stellt sich auf eine Volksabstimmung ein. Diese lasse sich gewinnen: «Zum Beispiel bleiben Exporte in Länder mit systematischen Menschenrechtsverletzungen verboten. Das ist vielen Leuten wichtig.» Zum Showdown an der Urne kommt es frühestens nächsten Herbst.