Ein ungewohntes Bild für einen Freitagnachmittag im Basler Gewerbegebiet Dreispitz: Auf dem Trottoir vor einer Halle bildet sich eine lange Warteschlange. Rund 200 Interessierte warten teils lange vor der Türöffnung. Objekt der Begierde ist die Kunstsammlung des baselstädtischen Finanzdepartements. Mangels eigenem Know-how und Ressourcen, die Werke fachgerecht zu lagern, wird diese Sammlung jetzt aufgelöst.
Damit der Räumungsverkauf geordnet ablaufen kann, dürfen nur 40 Personen aufs Mal in die Halle. Die anderen warten draussen. Drinnen sind auf langen Reihen von Klapptischen die Werke alphabetisch nach Künstlerin und Künstler sortiert.
Bar oder Twint
Vorab ein paar Rosinen gepickt hatten Museen, Denkmalpflege sowie der Kunstkredit, der staatliche Räume bestückt. In die Halle kommen über 400 Werke von rund 100 Kunstschaffenden. Sie haben Festpreise von 40 Franken bis vierstellig; bezahlen kann man bar oder per Twint. Eine Werkliste war nicht publiziert worden, nur die Namen.
Das niederschwellige Angebot an die breite Bevölkerung trifft einen Nerv. «Ich finde Kunst toll, aber meistens zu teuer. Vielleicht finde ich hier etwas, was ich mir leisten kann», sagt ein Mann, bevor die Türe aufgeht.
Da stehen immer Geschichten dahinter, die zu entdecken sind.
Etwas weniger spezifisch ist das Interesse eines Jüngeren: «Wir suchen noch Bilder für die WG. Es ist noch ein wenig weiss an den Wänden.» Ein Älterer schätzt lokale Kunst – gerade weil diese oft unterschätzt werde: «Da stehen immer Geschichten dahinter, die zu entdecken sind.»
Auf den schmucklosen Tischen liegen all die Geschichten, die das Leben schrieb, etwa ein Ölportrait, das einen etwa Sechsjährigen im Anzug zeigt, mit der Widmung «Dem lieben Walti zur Weihnacht 1925».
Halle voller Geschichten
Geschichten bringt aber auch das Publikum mit, zum Beispiel eine Frau mittleren Alters, die schon früh Schlange steht, um ein Werk nicht zu verpassen: Sie will eine Skulptur ihres verstorbenen Vaters kaufen, dessen Nachlass sie gerade sortiert.
Das ist sie! Schön, toll!
Es gehe um eine der ersten Skulpturen ihres Vaters. Bisher habe sie selber noch nichts dieser Art gesehen, erklärt sie nervös. Als sie die Eisenplastik mit dem Titel «unendlich» und einem Preisschild von 120 Franken in ihren Händen hält, sagt sie mit Tränen in den Augen «Das ist sie! Schön, toll! Ich bin gerade ein wenig emotional.»
«Ich suche den Grasmaler», spricht ein Mann einen der Kantonsangestellten an, die für Fragen bereitstehen. Jenem ist sofort klar, dass es sich um Bruno Gasser handeln muss.
Ehrenplatz für Grasbild
Und tatsächlich wurde etwas von diesem Künstler feilgeboten, der auch wegen wandgrosser grüner Bilder an Basler Gebäuden bekannt ist. «Ein regelrechtes Wunschbild habe ich gefunden. Das bekommt einen Ehrenplatz», strahlt der Kunde, der dafür eine Stunde angestanden war.
Die meisten Werke werden für Preise zwischen 100 und 500 Franken angeboten. Das teuerste Bild ist eines des Basler Künstlers Werner von Mutzenbecher für 4000 Franken. Der Grossteil stammt aus regionalen Ateliers, darunter viele Landschaften, aber auch allerhand Abstraktes.
Die Schnäppchenpreise funktionieren: Von den rund 400 Werken des Departements-Depots werden an den beiden Tagen gut 300 verkauft. «Ich habe mein Budget bis Januar überschritten», sagt ein aus Bern angereister Kunde lachend, und verlässt die Halle mit mehreren Bildern. Das Wenige, was liegen bleibt, wartet bald in Brockenhäusern auf ein neues Zuhause.