Ein jüngstes Gerichtsurteil zur sogenannten Kabelaufklärung fordert vom Nachrichtendienst des Bundes (NDB) präzisere und verbindliche Regeln für die Datenaufbewahrung. Der NDB erhält fünf Jahre Zeit, um die festgestellten Mängel zu beheben.
«Werten nicht massenhaft Datenströme aus»
Der NDB verteidigt seine Praxis und betont, dass Massenüberwachung im Interesse der Sicherheit nicht grundsätzlich verboten sei. Sie bedeute jedoch keine umfassende Überwachung aller Bürgerinnen und Bürger, relativiert Christophe Gnägi, Vize Kommunikationschef des NDB: «Wir werten eben nicht massenhaft Datenströme aus. Man kann sich das vorstellen wie eine grosse Wasserleitung, die über die Grenze geht.»
Aus dieser Wasserleitung schicken Mobilfunkanbieter die grenzüberschreitenden Datenströme an eine spezialisierte Abteilung beim Bund weiter. Dort werden sie mithilfe von gerichtlich bewilligten, sehr spezifischen Schlüsselbegriffen gefiltert.
«Diese konkreten Suchbegriffe, das sind nicht allgemeine Wörter wie ‹Bombe› oder sowas, sondern das sind ganz spezifische Identifikatoren.» Rein schweizerische Daten sind von dieser Erfassung explizit ausgenommen und dürfen nicht verwendet werden. Für alle anderen gilt es, Aufbewahrungsregeln zu beachten, die nun gemäss Gerichtsurteil genau und verbindlich festgelegt werden müssen.
Wie geht der NDB vor?
Die angewandte Filterung der Datenströme führt zu einer drastischen Reduzierung der Informationsmenge. Laut Christophe Gnägi werden 99.9 Prozent aller Daten aussortiert. «Die kleine, winzige Menge, die übrig bleibt, wird dann überprüft und analysiert.»
Und manchmal entdeckt der NDB eine sogenannte «Smoking Gun». «Das kann ein direkter Beweis für eine Bedrohung sein – Pläne für einen einen Anschlag beispielsweise», erklärt Gnägi. Zahlen dazu sind geheim. Superteffer seien aber eher selten, sagt Gnägi. Meistens findet der NDB Puzzleteile wie Telefonnummern, Email-Adressen und kann diese zusammenführen zu einem Ganzen. Etwa eine konkrete Person ermitteln.
Reaktionen auf das Urteil zeigen Spannungsfeld auf
Der Geheimdienstforscher Erich Schmidt-Eenboom sieht das Urteil zur sogenannten Kabelaufklärung kritisch. Die Einschränkungen würden den NDB und seine Zusammenarbeit mit Partner-Geheimdiensten im Ausland schwächen.
Schmidt-Eenboom argumentiert, dass Nachrichtendienste systembedingt Grundrechte verletzen müssten, insbesondere die von ausländischen Staatsbürgern: «Der Ertrag ist natürlich viel grösser, wenn man auch die eigenen Staatsbürger bei ihrer Telekommunikation mit dem Ausland überwachen kann.»
Diese Massenüberwachung betrifft uns alle. Ein Promille von einer gigantischen Datenmenge ist immer noch eine gigantische Datenmenge.
Dagegen wehrt sich Viktor Györffy, Anwalt für Grundrechte und Vorstandsmitglied der Digitalen Gesellschaft. Sie hatte die Beschwerde gegen den NDB eingereicht. Von Anfang an habe der Geheimdienst versucht, seine Tätigkeit in diesem Bereich schönzureden: Natürlich könnte der NDB arbeiten, ohne unbescholtene Bürger zu überwachen. Aber so wie er heute vorgehe, seien Grundrechtsverletzungen nicht zu vermeiden.
Victor Györffy stört sich auch an der Relativierung des NDB, nur eine ganz kleine Menge Daten auszuwerten: «Wir alle haben Daten, die über derartige Leitungen gehen. Deshalb betrifft diese Massenüberwachung uns alle. Ein Promille von einer gigantischen Datenmenge ist immer noch eine gigantische Datenmenge.»