Die Freihandelsabkommen TTIP und TISA stossen nun auch in der Schweiz auf Widerstand. In den Augen der Gegner bedrohen beide Abkommen Demokratie, Umweltschutz, Arbeitnehmerschutz, Datenschutz oder den Service public. Tatsächlich sind die Folgen – etwa von TTIP – enorm: Es könnte die grösste Freihandelszone der Welt zur Folge haben.
Chlorhühner in der Schweiz?
Die Schweiz sitzt nicht mit am TTIP-Verhandlungstisch, dennoch hätte der Vertrag auch Auswirkungen auf die Schweiz. «In den USA gibt es beispielsweise keine Deklarationspflicht für gewisse giftige Stoffe», sagt Stefan Giger, Generalsekretär der Gewerkschaft VPOD. «Diese Produkte könnten dann über den Umweg der EU auch in der Schweiz verkauft werden.» Gigers Verband ist Teil der Opposition gegen die Freihandelsabkommen TTIP und TISA.
Die Schweizer Bevölkerung müsste dann plötzlich Chlorhühner und Gentechgetreide verspeisen, auch stünde der hohe Schweizer Standard bei Umweltschutz, Lebensmittelqualität oder Service public uf dem Spiel, so Giger. Daher fordert das Bündnis aus Linksparteien, Verbänden und NGOs, dass ausgehandelte Freihandelsabkommen dem Referendum zu unterstellen seien. Damit läge der letzte Entscheid beim Stimmvolk.
Transparenz gefordert
Ausserdem fordern die TTIP-Gegner mehr Transparenz. Der Bund solle die Bürger besser darüber informieren, was bei den Freihandelsabkommen für die Schweiz auf dem Spiel stehe, verlangt die die grüne Nationalrätin Maya Graf. Das Abkommen werde auch die Schweiz betreffen, «denn die EU ist unser wichtigster Handelspartner.»
Den Vorwurf der mangelnden Transparenz kann der emeritierte Professor für Wirtschafts- und Völkerrecht Thomas Cottier nur bedingt nachvollziehen. Es liege in der Natur der Sache, dass Verhandlungen geheim seien.
Zudem seien zu TTIP unüblich viele Informationen erhältlich, wie etwa die Verhandlungspositionen der EU, welche im Internet öffentlich zugänglich seien. Dies sei bei früheren, ähnlichen Verhandlungen noch nie der Fall gewesen. «Dies ist ein grosser Gewinn für die Transparenz», sagt Cottier.
Tatsächlich hat die Offenlegung der Verhandlungspositionen mitgeholfen, dass das Freihandelsabkommen in der EU breit diskutiert wird. Eine ähnlich intensive Debatte wünscht sich die Allianz gegen die Freihandelsabkommen nun auch in der Schweiz.
Befürchtungen der TTIP- und TISA-Gegner
Das Komitee «Gemeinsam gegen TTIP, TISA & Co.» führt Beispiele an, die seiner Ansicht nach negativ von den Freihandelsabkommen betroffen wären: Verkehrspolitik: Mit den Abkommen dürfte kein Verkehrsträger benachteiligt werden. Damit stünde die Schweizer Verlagerungspolitik, das Nachtfahrverbot des Schwerverkehrs oder auch das Dosiersystem am Gotthard auf dem Spiel. |
Energiebereich: Der Bundesrat hat diesen Bereich zwar mit anderen Sektoren von öffentlichem Interesse auf die TISA-Ausnahmeliste gesetzt. Anhänge zum Abkommen könnten dies aber aushebeln, sodass wegen postulierter Energieneutralität Atom- und Kohlekraftwerke den gleichen Anspruch auf Subventionen wie erneuerbare Energien hätten. |
Service public: Swisscom oder Postfinance müssten vollständig privatisiert werden. |
Klagemöglichkeiten für Firmen: Private Schiedsgerichte sollen über die Abkommen wachen. Dort könnten etwa Konzerne auf Entschädigung klagen, wenn ein Land beispielsweise seine Umweltstandards verschärft. Es wird deshalb befürchtet, dass das Risiko hoher Entschädigungszahlungen neue Gesetze von vornherein verhindern würde. |
Arbeitsmarkt: Werden Standards harmonisiert, wie in den Abkommen vorgesehen, führt dies laut den Gegnern immer zu einem Verlust von Arbeitsplätzen in jenem Land, welches die höchsten Standards hat. (sda) |