Vom Aussterben bedroht? Das Bündner Oberländer Schaf hat eine durchlebte Geschichte. Vor Jahrzehnten ist sein Vorgänger, das Tavertscher Schaf, in der Schweiz praktisch ausgestorben. Mit den wenigen Exemplaren und ähnlichen Tieren wurde nun eine neue Zucht aufgebaut. Um diese fürchtet sich der Verein zur Erhaltung des Bündner Oberländer Schafes aber jetzt. Auf die Frage, ob das Bündner Oberländer Schaf aussterben könnte, meint Ernst Oertle, Präsident des Vereins: «Ja, es könnte, was ich nicht hoffe. Wir wehren uns und machen alles, damit das nicht passiert.»
Neue Beurteilungen: Der Grund für die Sorgen des Schafzüchters ist die neue Tierzuchtverordnung des Bundes. Unter anderem würden die Beurteilungen aufwendiger und damit teurer. Viele Züchter könnten deshalb aufhören. Weiter dürften die Beurteilungen seltener von den Vereinsmitgliedern durchgeführt werden, sondern häufig von externen Personen. Für den Zuchtverein von Ernst Oertle würde dies bedeuten: «Wir verlieren so als Verein den Kontakt zu den Züchterinnen und Züchtern und die Beratung fehlt.» Dies könne dann Auswirkungen haben auf die genetische Vielfalt der Tiere. «Dann ist auch das Bündner Oberländer Schaf in Gefahr», so Oertle.
Weitere Rassen gefährdet: Pro Specie Rara setzt sich für die traditionellen Rassen wie das Bündner Oberländer Schaf ein. Insgesamt 38 solche Rassen gibt es in der Schweiz. Darunter Ziegen, Hühner, Schweine, Kühe. Viele von ihnen sieht man durch die neue Verordnung unter Druck. Nebst den Beurteilungen ist auch die Definition eines Zuchtprogramms problematisch. Neu gilt als Zuchtprogramm nur noch, wenn eine Rasse verbessert wird. Bei den traditionellen Rassen geht es aber um die Erhaltung der Rasse. «Dies ist ein Problem, weil wir die Befürchtung haben, dass die Erhaltung der genetischen Vielfalt der Rassen zu kurz kommt», sagt Maya Hiltpold, Projektleiterin Tiere bei Pro Specie Rara.
Das Schaf der Zukunft? Für Pro Specie Rara gibt es zwei Gründe, um die seltenen Rassen zu schützen und zu fördern. Die Rassen gehören zum Kulturerbe der Schweiz. Und die Rassen sind angepasst auf die Schweizer Landschaft und Landwirtschaft. «Wir wissen nicht, welche Eigenschaften wir in Zukunft brauchen», gibt Maya Hiltpold zu bedenken. Deshalb sei eine grosse Vielfalt wichtig.
Erhaltung ist Verbesserung: Beim zuständigen Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) relativiert man die Befürchtungen. Es habe sich kaum was geändert. Verbesserung einer Rasse könne durchaus auch Erhaltung einer Rasse bedeuten. Christian Stricker, Leiter Tierzucht beim Bundesamt für Landwirtschaft erklärt: «Beim Verbessern geht es nicht immer um grosse wirtschaftliche Merkmale. Da geht es auch um Inzuchtmanagement.» Somit sei auch die Erhaltung einer Rasse ein mögliches Ziel eines Zuchtprogramms.
Stärkung seltener Rassen: Auch beim BLW weiss man um die Wichtigkeit seltener Nutztierrassen. «Wir haben das gleiche Ziel wie Pro Specie Rara. Wir setzen 4.75 Millionen Franken als Erhaltungsbeiträge ein», sagt Christian Stricker. «Das ist gelebte Biodiversität. Wir wissen nicht, welche Gene einmal wichtig sein werden», ist auch Christian Stricker sich bewusst. Seltene Schweizer Nutztierrassen sollen deshalb geschützt und gefördert werden. Darüber ist sich Pro Specie Rara und das BLW einig. Ob die neue Tierzuchtverordnung nun der richtige Weg ist, dabei gehen die Meinungen aber auseinander.