Die Bauern können auf Unterstützung der grossen Kammer zählen: Mit 91 zu 83 Stimmen bei 19 Enthaltungen hat der Nationalrat der Volksinitiative «Für Ernährungssicherheit» des Bauernverbandes zugestimmt.
Nach einer gut siebenstündigen Debatte und technischen Problemen bei der ersten Abstimmung setzten sich die Befürworter der Initiative durch.
Die Streitpunkte
- Was will die Initiative überhaupt verändern?
Insbesondere Vertreter der SP betonten, dass die Initiative im Vergleich zum bestehenden Verfassungsartikel keine entscheidenden Neuerungen bringt.
Kommissionssprecher Beat Jans (SP/BS) sah in diesem Zusammenhang gar eine historische Dimension. Die Initiative sei eine Neuheit in der Schweizer Demokratie: «Wir stimmen über eine Initiative ab, deren Text nichts ändert.» Der vorhandene Rechtsrahmen sei dementsprechend umfassend und hinreichend.
Wir stimmen über einen Initiative ab, deren Text nichts ändert.
Aufgrund des Interpretationsspielraums des Initiativtextes wurde wiederholt auch hinterfragt, ob das Begehren nicht weniger anstatt mehr Investitions- und Rechtssicherheit schaffe.
Albert Rösti (SVP/BE) fasste die Anliegen der Initiative in drei Punkten zusammen: Bürokratie abbauen, Kulturland schützen sowie der ökologischen und tierfreundlichen Produktion mehr Beachtung schenken. Sollte die Initiative vom Volk angenommen werden, müssten sich Bundesrat und Parlament auf konkrete Schritte einigen, um diese Anliegen umzusetzen.
Rösti machte indes keinen Hehl daraus, dass es der SVP ausserdem um eine Korrektur der vom Parlament beschlossenen Agrarpolitik 2014-2017 geht, welche die Partei erfolglos bekämpft hatte.
- Selbstversorgung abhängig von Importen
Anstoss für Kritik am Begehren bietet auch die starke Abhängigkeit der Schweizer Landwirtschaft von Importen, beispielsweise für Futtermittel, Saatgut und Dünger. Kathrin Bertschy (GLP/BE) sprach für die Grünliberalen von «heisser Luft» und einer «Mogelpackung». Die Schweizer Landwirtschaft produziere auf Rekordniveau: «Noch mehr geht nur noch mit mehr Importen von Dünger, Futtermittel und einer kostenintensiveren Landwirtschaft.»
Auch Balthasar Glättli (Grüne/ZH) betonte, es gehe nicht, vom Selbstversorgungsgrad zu sprechen und zugleich die Abhängigkeit von Importen aussen vor zu lassen.
Die Befürworter der Initiative rechtfertigten einen zusätzlichen Schutz des Selbstversorgungsgrades primär mit inländischen Gründen: Die Bevölkerung wachse und die Landwirtschaftsfläche gehe gleichzeitig zurück, erklärte Bauernpräsident Markus Ritter (CVP/SG).
- Braucht es mehr Schutz von Kulturland?
Den in der Initiative vorgesehenen zusätzlichen Schutz von Kulturland wurde von mehreren Parlamentariern hinterfragt. Beat Walti (FDP/ZH) betonte im Namen seiner Fraktion, dass es den Bauern über das geltende Gesetz offen stehe, ihre Interessen in der Raumplanung wirksam einzubringen. Industriebrachen könnten besser genutzt werden, entgegnete Hansjörg Walter (SVP/TG).
«Wenn wir so weiter bauen, wie wir das heute tun und in den letzten Jahren getan haben, dann ist in 200 Jahren die gesamte Fläche zwischen Boden- und Genfersee verbaut», unterstrich Markus Ritter. Das Gewerbe müsse mehr in die Höhe und Tiefe bauen, so dass das Land besser ausgenutzt werden könne, schlug Ritter vor.
Wenn wir so weiter bauen, ist in 200 Jahren die gesamte Fläche zwischen Boden- und Genfersee verbaut.
Das Resultat
Der Nationalrat hiess die Vorlage gut, obschon eine knappe Mehrheit seiner Kommission eine Ablehnung empfohlen hatte. Der Nationalrat stimmte schliesslich mit 91 zu 83 Stimmen bei 19 Enthaltungen für den Minderheitsantrag der Kommission und empfiehlt somit Annahme der Volksinitiative.
Die Abgeordneten der SVP und der CVP unterstützten die Initiative mehrheitlich. Die meisten Mitglieder der FDP stimmten jedoch dagegen. Die Abgeordneten der BDP votierten mit 4 zu 3 Stimmen knapp dafür. Die SP und die GLP lehnten die Vorlage geschlossen ab. Die Grünen beschlossen Stimmenthaltung.
Anders als der Nationalrat, empfiehlt der Bundesrat die Initiative abzulehnen. Seiner Meinung nach ist die Ernährungssicherheit in der Schweiz mit einem Selbstversorgungsgrad von etwa 55 Prozent bereits sehr hoch. Bundespräsident Johann Schneider-Ammann erinnerte in der Debatte ebenfalls an das Rekordniveau, auf welchem die Schweizer Landwirtschaft heute produziert.