«Ist es normal, dass Kinder zum zehnten Geburtstag ein eigenes Handy geschenkt bekommen?» Diese Frage treibt Sandra Keller um. Ihr Sohn besucht die vierte Klasse in Köniz BE – und hat noch kein Smartphone. Die Eltern möchten das auch noch eine Weile so belassen.
Trotzdem spürt Keller einen «stillen Druck»: Sind Kellers zu streng? Verpasst ihr Sohn etwas? Oder verliert er gar den Anschluss? Mit diesen Fragen sind Kellers aber nicht allein.
Gemeinsam gegen den «stillen Druck»
Im Februar hat die Gemeinde Köniz ein Verbot für private elektronische Geräte in der Schule erlassen. Seither müssen Smartphones und -watches während des Unterrichts in Koffern weggesperrt werden. Das hat bei vielen Eltern den Wunsch geweckt, auch privat klare Regeln zu schaffen.
«Als Familie allein ist man ausgeliefert», sagt Christoph Inauen, Vater zweier Kinder und Mitglied des Elternrats. «Viele Eltern kennen das: Das Kind kommt nach Hause und erzählt, alle anderen hätten ein Handy. Das erzeugt Druck: auf die Eltern und auf das Kind.» Das Problem sei gesellschaftlich und müsse gemeinsam angegangen werden.
Grossteil gegen Social Media vor der 9. Klasse
Deshalb besuchten Inauen und seine Mitstreiter zu Beginn des neuen Schuljahres alle Elternabende der dritten, vierten und fünften Klassen ihres Schulkreises. Sie stellten die freiwillige Elterninitiative vor:
- kein eigenes Smartphone bis zur siebten Klasse
- keine eigenen Social-Media-Kanäle bis zur neunten Klasse.
In einer anonymen Abstimmung wollten sie von den Eltern wissen, ob sie bereit wären, diesen Mindeststandard in ihrem Familienalltag umzusetzen.
«Die Initiative rennt offene Türen ein», sagt Tobias Löhrer, Vater zweier Primarschüler und Mitinitiant. Die Umfrage zeigt: Das Thema brennt vielen Eltern unter den Nägeln. 80 Prozent sind bereit, ihrem Kind bis zur siebten Klasse kein eigenes Handy zu geben. Weitere 10 Prozent stimmen dem Vorhaben zu, ihr Kind hat jedoch bereits ein Handy oder eines in Aussicht. Nur 10 Prozent lehnen ein koordiniertes Vorgehen ab.
Beim Verbot von eigenen Social-Media-Kanälen ist die Zustimmung noch höher. 90 Prozent sind dafür. «Das unterstreicht den grossen Handlungsdruck», so Tobias Löhrer.
Von der Umfrage zur Umsetzung
Doch wie wird aus Zustimmung eine gemeinsame Haltung? Die Initianten setzen auf Vernetzung. Interessierte Eltern sollen über eine Onlineplattform erfahren können, wer sich zu den Standards bekennt.
«Eltern bekommen einen Überblick, welche Gspänli ihres Kindes auch kein Smartphone haben. So kann man seinem Kind sagen: Du bist nicht der oder die Einzige ohne Handy.»
Die engagierten Eltern in Köniz sind überzeugt: Allein stehen sie bei den Themen Smartphone und Social Media schnell auf verlorenem Posten. Nur gemeinsam kann dem «stillen Druck» standgehalten werden.