Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen. So steht es in der Bundesverfassung. Deshalb sind die neusten Zahlen des Bundes zu den Schweizer Löhnen relevant. So klingt es nach einer guten Nachricht: Der Medianlohn in der Schweiz ist gestiegen – im vergangenen Jahr betrug er 7024 Franken brutto im Monat für eine Vollzeitstelle. Wobei der Medianlohn bedeutet, dass die eine Hälfte der Arbeitnehmenden weniger verdient, die andere Hälfte mehr.
7024 Franken: Die Bewertung dieser Zahl fällt bei Arbeitgebern und Gewerkschaften naturgemäss unterschiedlich aus: Die Arbeitgeber betonen, dass die Schweizer Löhne gewachsen sind. Dies wird von ihnen so gedeutet, dass der Erfolg der Wirtschaft bei den Angestellten ankomme. Die Gewerkschaften auf der anderen Seite betonen, dass die Lebenshaltungskosten eben auch steigen – insbesondere Mieten und Krankenkassenprämien. Deshalb hätten die Arbeitnehmenden am Ende im Durchschnitt weniger im Portemonnaie, nicht mehr.
10 Prozent der Arbeitnehmenden mit Tieflohn
Ja, die Löhne sind gestiegen. Doch sie steigen nicht sehr stark. Und vor allem gibt es weiterhin sehr grosse Unterschiede zwischen den Branchen: Wer in der Pharma- oder in der Finanzbranche arbeitet, hat einen Medianlohn von mehr als 10'000 Franken im Monat. Personen im Bereich der persönlichen Dienstleistungen – das sind zum Beispiel Angestellte in der chemischen Reinigung, im Coiffeur- oder Schönheitssalon – verdienen im Median nicht einmal die Hälfte.
Fakt ist: Mehr als 10 Prozent der Arbeitnehmenden müssen mit einem sogenannten Tieflohn auskommen. Das ist ein monatlicher Bruttolohn von weniger als 4683 Franken. Mit einem solchen Lohn über die Runden zu kommen, ist hart. Zwar sind die tiefsten Löhne seit 2008 etwas stärker gestiegen als die mittleren und die hohen Löhne, doch sozialpolitisch bleiben die Tieflöhne ein Problem.
Lohnunterschiede nach Geschlecht bei Kader
Positiv ist die Entwicklung bei den Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen: Diese Unterschiede nahmen weiter ab. 2024 betrugen die Unterschiede gesamthaft 8.4 Prozent. Aber in Kaderpositionen ist der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern deutlich grösser. Hinzu kommt: Im Tieflohnbereich arbeiten viel mehr Frauen (62 Prozent) als Männer (38 Prozent), während im Spitzenlohnbereich das Bild genau umgekehrt ist: Dort arbeiten 74.9 Prozent Männer und 25.1 Prozent Frauen.
Natürlich sind viele Lohnunterschiede durch eine bessere Ausbildung oder längere Berufserfahrung zu erklären. Gleichzeitig zeigen die Lohnunterschiede auch, dass die Geschlechtergleichstellung nicht erreicht ist und dass die Working Poor weiterhin Unterstützung benötigen. Denn eben: Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen.