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Tiefe Erbschaftssteuern Warum Erben in der Schweiz immer günstiger wurde

Am 30. November entscheidet die Schweiz über eine nationale Erbschaftssteuer. Bisher gibt es keine schweizweit gültige Steuer. Erbschaften zu regeln, ist bisher Sache der Kantone. Das will die Juso mit ihrer Initiative ändern. Sie fordern Abgaben auf Vermögen ab 50 Millionen Franken. Gegnerinnen und Gegner befürchten eine Abwanderung von Vermögenden.

Dabei zeigt ein Blick in die Geschichte: Die Erbschaftssteuer war früher deutlich höher. Heute zahlen Erben nur noch ein Drittel dessen, was 1990 üblich war. Warum das so ist und wie sich die Steuern über Jahrzehnte verändert haben, erklärt die Wirtschaftshistorikerin Gisela Hürlimann.

Gisela Hürlimann

Wirtschaftshistorikerin

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Gisela Hürlimann ist seit 2021 Professorin für Technik- und Wirtschaftsgeschichte am Institut für Geschichte der Technischen Universität Dresden.

Sie befasst sich mit Technik-, Wissenschafts-, Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte. Gisela Hürlimann ist in der Schweiz aufgewachsen und hat in Zürich und Barcelona studiert. Später hat sie an den Universitäten Zürich, Basel, Freiburg, Bern sowie an der ETH Zürich gelehrt.

SRF News: Warum werden Erbschaften heute weniger hoch besteuert als noch vor ein paar Jahrzehnten?

Gisela Hürlimann: Das hat sehr stark mit dem Steuerwettbewerb zu tun. Man könnte sagen, dass die Reduktion der Erbschaftssteuern ein Effekt des verschärften Steuerwettbewerbs zwischen den Kantonen ist. Besonders in den 90er- und 2000er-Jahren ist diese Verschärfung stark zu beobachten.

In diesem Steuerwettbewerb unter den Kantonen – welche Rolle spielt da die Erbschaftssteuer?

In manchen Kantonen ist die Erbschaftssteuer für Ehegatten und direkte Nachkommen faktisch abgeschafft. Und das kam mit der Steuerharmonisierung von 1990. Die Harmonisierung hätte eigentlich mehr Gerechtigkeit im Steuersystem bringen sollen. Das ist die Ironie der Geschichte. Doch darin gab es keine Vorschrift über die Steuern auf Erbschaften. Die Kantone hatten also freie Hand, diese Steuern auf null zu senken.

Die Idee, Erbschaften zu besteuern, gibt es schon seit Jahrhunderten.

So haben sich die Vorstellungen der kantonalen Finanzdirektoren und von konservativen Kreisen mit fixer Einstellung zu Besitz durchgesetzt. So wurde das Erbe über die Jahre immer weniger angetastet.

Die Steuerharmonisierung 1990 sollte mehr Gerechtigkeit bringen – faktisch wurde damit aber vielerorts die Erbschaftssteuer abgeschafft. Wer trieb das damals voran?

Es ging damals nicht ausschliesslich darum, dass man Reiche stärker besteuern soll als Ärmere. Vielmehr war das Ziel auch, die Ungleichheit zwischen den Kantonen abzuschwächen. Die Vermögensungleichheit war damals schwächer als heute. Es gab noch nicht diese starke Akkumulation von Vermögen infolge von Erbschaft. Die Steuerharmonisierung war also kein ausschliesslich linkes Anliegen.

Woher stammt denn die grundsätzliche Idee, Erbschaften zu besteuern?

Die Idee, Erbschaften zu besteuern, gibt es schon seit Jahrhunderten. Sie wurde zuerst in der Französischen Revolution eingeführt, dann 1798 auch in der Helvetischen Republik. Seither gibt es eben diese Vorstellung, Erbschaften seien unverdientes Vermögen, nicht Produkt der eigenen Leistung. Deshalb könne man hier stärker besteuern als anderswo.

Und wann ist diese Idee zu einem linken Anliegen geworden?

Der Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen hat sich seit den 1990er-Jahren stark verallgemeinert und ist im bürgerlichen Lager seither quasi unhinterfragt. Damit bleibt hauptsächlich noch die Linke, die sich hier kritisch positioniert. Für sie ist es auch ein Instrument, um wachsende Vermögensungleichheit zu kritisieren.

Denn heute stammt ja tatsächlich ein Grossteil hoher Vermögen aus dem Erbe. Für ihre Kritik nutzt die Linke die Erbschaftssteuer, denn eine andere Steuer anzutasten, wäre wohl wenig erfolgreich. Wenn sie zum Beispiel fordern würden, dass die Vermögenssteuer wieder auf Bundesebene eingeführt werden solle – ich glaube, das wäre ein hoffnungsloses Unterfangen.

Das Gespräch führte Julius Schmid.

SRF 4 News, 20.10.2025, 16 Uhr ; 

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