Manuel Portmann sitzt in der Mensa des Spitals Bülach. Statt um Medikamente, Bluthochdruck oder Untersuchungen dreht sich das Gespräch um Excel, Planungstabellen, Zulagen.
Portmann ist HR-Leiter des Spitals. Als er 2022 als Personalverantwortlicher angefangen hat, ging es dem Spital wie vielen anderen: Es gab einen Mangel an Pflegefachpersonen, das Spital hatte hohe Kosten für temporäre Mitarbeitende, die Fluktuation war hoch.
Flexibles Arbeitszeitmodell mit vielen Vorteilen
Portmann war klar, dass es ein neues Arbeitszeitmodell braucht – und er griff auf ein Modell zurück, das er vor 30 Jahren als Leiter einer Autobahnraststätte eingeführt hatte.
Dort bezahlte Portmann den Mitarbeitenden unterschiedlich viel Lohn, je nach deren Flexibilität. Im Spital Bülach hätten die Pflegenden zuerst etwas skeptisch reagiert. «Doch wir machten die Betroffenen zu Beteiligten und klärten die Bedürfnisse genau ab», erklärt der HR-Chef.
Fluktuation und Krankenrate sind jetzt viel tiefer, zudem haben wir viel weniger teure Temporäreinsätze.
Jetzt ist das neue Modell in Bülach Realität: Die Pflegefachpersonen arbeiten in vier unterschiedlichen Stufen – von «fix» bis «superflex».
Das lohne sich für das Spital, obwohl es die Zulagen zusätzlich bezahle, betont Portmann: «Fluktuation und Krankenrate sind viel tiefer, zudem haben wir viel weniger teure Temporäreinsätze.»
Weniger Fluktuation, weniger Temporäre
Die Fluktuation etwa ist von 18 auf 5 Prozent gesunken. Und mit dem alten Arbeitsmodell zählte das Spital Bülach jährlich 850 Temporäreinsätze, jetzt sind es noch 30. Das Spital Bülach habe so an Attraktivität gewinnen können, was sich in der guten Rekrutierungssituation zeige. «Wir haben noch nie ein Bett sperren müssen wegen Personalmangel», sagt Portmann.
Die Pflegenden können alle drei Monate wählen, in welcher Stufe sie arbeiten wollen – je nach persönlicher Situation.
Der HR-Chef ist derart von seinem Modell überzeugt, dass er der Umsetzung der 2. Etappe der Pflegeinitiative kritisch gegenübersteht. Portmann glaubt nicht, dass die Lösung darin liegt, dass überall in der Schweiz dieselben Arbeitsbedingungen gelten. Vielmehr müsse jeder Betrieb für sich das beste Modell finden.
Initiantinnen wollen mehr Geld vom Staat
Für die Geschäftsführerin des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachpersonen, Yvonne Ribi, ist das Bülacher Modell ein gutes Modell. Aber: «Es braucht gesetzliche Bestimmungen, weil von Bund und Kantonen gewisse Investitionen nötig sind, damit die Pflegenden in ihrem Beruf bleiben.» Ihr Verband hatte die vom Volk an der Urne angenommene Pflegeinitiative lanciert.
Flughäfen, Justizvollzugsanstalten oder Luxus-Ferienresorts wollen wissen, wie unser Modell genau funktioniert.
In Bülach hat sich die Investition für das Spital schon im ersten Jahr gelohnt: Trotz Mehrkosten für die Zulagen hat das Spital unter dem Strich Plus gemacht, da es weniger Temporäreinsätze und weniger Krankheitsfälle gab.
Das Modell Bülach ist so erfolgreich, dass HR-Leiter Portmann sein Konzept immer und immer wieder erklären muss – er habe Anfragen aus vielen anderen Branchen erhalten, die 24/7/365 arbeiteten: «Flughäfen, Justizvollzugsanstalten, Produktionsbetriebe, Luxus-Ferienresorts. Sie alle wollen wissen, wie unser Modell genau funktioniert.»
In Bülach ist das Modell bei den Pflegeberufen so ein Erfolg, dass es nun ausgeweitet wird – zunächst auf die Hebammen und die Röntgenabteilung.