Wer in einem Dublin-Staat einen negativen Asylentscheid erhält, muss Europa verlassen und in die Heimat zurückkehren. Entweder freiwillig oder unter Zwang.
Nach Angaben der EU-Kommission wird aber nur etwa ein Fünftel der Rückführungsentscheide effektiv umgesetzt. Oft tauchen die Betroffenen unter und reisen in ein anderes Land weiter.
Entscheid soll europaweit gelten
Die EU-Kommission hat deshalb verschärfte Regeln vorgeschlagen: Erhalten Antragstellende von einem Mitgliedstaat einen Rückführungsentscheid, soll dieser künftig europaweit ohne erneute Überprüfung gelten.
Die Mitgliedstaaten würden so gemeinsam für die Rückführungen aller Länder im Schengen-Raum zuständig. Am Ende sollen mehr Menschen Europa verlassen.
Schweiz will freiwillige Anerkennung
Die Schweiz ist Teil des Schengen-Raums und des europäischen Asylsystems. Bundesrat Beat Jans hat an den Beratungen der zuständigen Minister in Luxemburg teilgenommen. Das Staatssekretariat für Migration SEM erklärt auf Anfrage, die Schweiz unterstütze die europaweite Anerkennung der Rückführungsbeschlüsse, wolle aber an der heute geltenden Freiwilligkeit festhalten.
«Die gegenseitige Anerkennung hat aus Sicht der Schweiz insbesondere Potenzial für den raschen Vollzug von ausländischen Wegweisungen in Staaten, in die Rückführungen ohne Weiteres durchgeführt werden können», schreibt das SEM. Sie müsse aber auf «belastbaren und verfahrensrechtlich abgesicherten Garantien» beruhen.
Schweiz müsste für Ungarn ausschaffen
Kritik kommt von Flüchtlingsorganisationen: Der europäische Dachverband European Council on Refugees and Exiles (ECRE) befürchtet Menschenrechtsverletzungen, wenn Menschen ohne Überprüfung in Länder rückgeführt würden, wo sie bedroht sind.
Zudem würden europäische Staaten mit der vorgeschlagenen Pflicht zur Anerkennung auch für den Vollzug von Rückführungen zuständig, die sie selbst gar nie ausgesprochen hätten.
Tatsächlich ist mit den vorgeschlagenen Regeln das Szenario denkbar, dass die Schweiz eine von Ungarn verfügte Rückführung umsetzen müsste. Das Land gewährt Asyl extrem restriktiv: Nur gerade 47 Personen haben dort im ersten Halbjahr 2025 Asyl erhalten.
Flüchtlingsorganisationen: «Asyl-Lotterie»
Generell variieren die Schutzquoten bei vergleichbaren Asylgesuchen erheblich: «2024 reichten die Anerkennungsquoten für bestimmte Gruppen von Asylbewerbern von nur 10 Prozent in Bulgarien bis zu 88 Prozent in Italien», schreibt die ECRE auf Anfrage von SRF – die Organisation spricht deshalb von einer europäischen «Asyl-Lotterie».
Noch ist allerdings unklar, wie eine allfällige Verpflichtung in der Praxis umgesetzt würde. Zunächst müssen Widersprüche ausgeräumt werden. Etwa, dass ein Land für das Asylverfahren zuständig wäre, ein anderes für die Rückführung. Das würde Anreize schaffen, abgewiesene Asylsuchende zur Weiterreise zu ermutigen – und damit zu weniger Rückführungen führen.
Bundesrat Beat Jans und andere Minister äusserten denn auch die Sorge, dass die vorgeschlagenen Anpassungen Ausschaffungen sogar behindern könnten.
Würden neue Regeln beschlossen, müsste die Schweiz diese als Schengen-Mitglied übernehmen. Die EU-Kommission will die Anpassungen 2027 in Kraft setzen, in der Schweiz würden sie damit spätestens 2029 gelten.