In der Aarauer Hochhaussiedlung Telli sieht es aus wie auf dem Parkplatz eines riesigen Einkaufszentrums: Überall stehen Einkaufswägeli herum. Aktuell sind über 200 Stück über die Siedlung verstreut. Doch eigentlich müssten sie alle wieder zurückgebracht werden zum nahegelegenen Coop, wo sie herkommen.
Dass sich die Wägeli aber im Quartier stapeln, ist der Gewohnheit geschuldet. Während Jahrzehnten war es im Telli-Quartier nämlich «courant normal», dass die Mieterinnen und Mieter mit Einkaufswägeli direkt vom Supermarkt nach Hause fahren durften.
«Für eine alte Frau wie mich ist das doch optimal», sagt die langjährige Tellianerin Silvia Häuptli. «So kann ich mit dem Wägeli in meine Wohnung und muss die schweren Sachen nicht schleppen.»
Die modernen Wägeli sind weniger robust
Die Wägeli mussten früher wieder an zentralen Stellen im Quartier deponiert werden, und Coop sammelte sie wieder ein. Doch diese Zeiten sind passé. Denn das alte Coop-Center wurde saniert und mit neuen Wägeli aufgerüstet, «deren Rollen auf das Rollband abgestimmt sind», heisst es auf Anfrage bei Coop. «Bei Nutzung des Rollbandes rasten diese ein und verhindern ein versehentliches Runterrollen.»
Doch diese fortschrittlichen neuen Wägeli sind nicht mehr so geländegängig wie es ihre Vorgänger waren. Die Fahrt über den Asphalt zu den Telli-Wohnungen könnte die modernen Wägeli beschädigen, fürchtet Coop.
Daher ist es seit einigen Monaten verboten, die Einkaufswägeli für den persönlichen Lieferservice bis vor die eigene Haustür zu nutzen.
Es ist praktisch mit dem Wägeli bis zur Haustür zu fahren, besonders wenn man Getränke einkauft.
Schade, findet Quartierbewohnerin Regula Tanner: «Wir sind uns das halt gewohnt. Es ist praktisch mit dem Wägeli bis zur Haustür zu fahren, besonders wenn man Getränke einkauft.»
Coop sammelt die Wägeli nicht mehr ein, eine magnetische Wegfahrsperre soll dafür sorgen, dass die vergitterten Einkaufsroller auf dem Coop-Gelände bleiben. Doch in der Realität erweist sich die Umgehung dieser Magnetsperre in etwa als so komplex wie die Bedienung einer Türklinke: Zweimal das Wägeli anheben – und die Wegfahrsicherung ist überlistet.
Das Resultat: Im Telli-Quartier stapeln sich die Einkaufswägeli. Telli-Abwart Simon Zumsteg sammelt die herumstehenden Wägeli im Quartier ein und reiht sie aneinander.
Auch wenn Coop die entführten Einkaufsroller offiziell nicht mehr abholt, sagt Abwart Zumsteg: «Irgendwann gehen Coop einfach die Wägeli aus, und dann sammeln sie diese hier doch wieder ein.»
Könnte man die Telli-Bewohnerinnen und -Bewohner nicht einfach dazu bringen die umstrittenen Gefährte von selbst zurück ins nahegelegene Center zu bringen? «Das sieht man sehr selten. Die Leute laufen lieber leer zurück und nehmen sich dort wieder ein Neues.»
Coop will die Wägeli zurück
Coop hat offenbar genug vom Wägelistreit, der in Medien schon für Aufsehen sorgte. Auf Anfrage heisst es: «Wir bitten die Bewohnerinnen und Bewohner des Telli Quartiers, die Coop-Einkaufswagen zu retournieren und danken für Ihr Verständnis, dass wir uns zur Einkaufswagenthematik nicht mehr weiter äussern werden.»
Silvia Häuptli hofft indes auf eine einvernehmliche Lösung mit dem Detailhändler. «Ich hoffe, dass wir auch in Zukunft mit dem Luxus leben können, mit dem Einkaufswägeli nach Hause zu fahren.» Ihre Kollegin Regula Tanner ergänzt: «Schliesslich profitiert ja Coop auch von uns, weil wir dort einkaufen.»