2025 war aussenpolitisch für die Schweiz ein turbulentes Jahr. Was bleibt? Laut Tim Guldimann, ehemaliger Schweizer Diplomat, sind es die Auswirkungen «von einem Jahr Präsident Trump mit der Zerstörung regelbasierter Grundlagen der Weltpolitik», die bleiben. Auch der andauernde Angriff Russlands auf die Ukraine, der auch Europa bedrohe, habe das Jahr 2025 geprägt.
Man macht das, was einem nützt, und weniger das, was man vereinbart hat.
Paul Widmer, ebenfalls ehemaliger Diplomat und Verfasser mehrerer Bücher zur Schweizer Diplomatie, sagt: «Mir fällt vor allem auf, dass es eine Verschiebung gibt zu mehr Macht in der Aussenpolitik. Man macht das, was einem nützt, und weniger das, was man vereinbart hat.»
Guldimann spricht von Zeitenwende
Die beiden Diplomaten sind sich einig in der Diagnose. Zwar sind multilaterale Gremien wie die WTO bereits länger blockiert, aber der Handelskonflikt, den die USA 2025 vom Zaun gebrochen haben, sei eine eigentliche Zeitenwende, so Guldimann.
Heute geht es um plumpe Machtpolitik, Erpressung im übelsten Ausmass.
«Unsere globalen Handelsbeziehungen basierten auf Regeln. Es gab auch Gerichtsmöglichkeiten. Doch all das ist nun ausgehebelt. Heute geht es um plumpe Machtpolitik, Erpressung im übelsten Ausmass.»
Mit Folgen für die Schweiz. «Das ist schwierig, denn als mittelgrosser Staat haben wir stark profitiert von einer regelbasierten Ordnung», so Guldimann. «Von dem Moment an, in dem diese Ordnung zerfällt, haben wir grosse Mühe, unsere Interessen durchzusetzen.»
Allerdings: So einig sich die beiden Diplomaten bei der Diagnose sind, so unterschiedlich sind die Rezepte, die sie der Schweiz nahelegen. «Es ist nicht das erste Mal, dass wir vielleicht etwas rüpelhaft behandelt werden», sagt Widmer. «Und was ist die logische Konsequenz für uns daraus? Wir müssen an dem festhalten, was wir als gute Erfahrung gemacht haben.»
Europa und die USA sind sich immer öfter und immer offener uneins. Und wenn das, was gemeinhin als westliche Welt verstanden wurde, nicht mehr als ein Wertesystem existiert, dann ist auch weniger klar, an wem sich die Schweiz ausrichten soll. Unabhängig zwar, aber mit einer klaren Ausrichtung, wie sie das in der Vergangenheit getan hat.
Guldimann ist deshalb der Ansicht: In einer unsicheren Welt braucht die Schweiz starke Partner und verlässliche Partnerschaften. «Von daher sehe ich das Vertragspaket der ‹Bilateralen III› als ganz entscheidend. Nicht nur wegen unseres Zugangs zum Binnenmarkt, sondern vor allem auch wegen einer generellen Einbindung in einen europäischen Kontext.» Wenn dies nicht klappt, könnten wir in einem Ernstfall auch keine Unterstützung erwarten, sagt Guldimann.
Wie soll sich die Schweiz positionieren?
Die Schweiz muss erkennen, dass sich die Welt gerade fundamental verändert. Darauf muss sie sich strategisch einstellen. Mit gezielten, gestärkten Partnerschaften, so Guldimann. Mit dem Erhalt von maximaler Handlungsfreiheit und Neutralität, fordert Widmer.
Habe sich die Schweiz erst einmal entschieden, werde sie ihren Weg finden. Da sind sich beide einig. «Wenn wir wissen, was wir wollen, dann können wir wie bei einem Werkzeugkasten schauen, was gerade zweckmässig ist», so Guldimann. «Ob das Goldbarren sind oder irgendwelche völkerrechtlich eingeübten Prozeduren, ist zweitrangig.»
Wie soll sich die Schweiz positionieren, wenn Europa und die USA auseinanderdriften? Die anstehende Europadebatte ist ein zentrales Element dieser Diskussion. Sie wird auch das Jahr 2026 massgeblich prägen.