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Zunehmende Resistenzen Nicht zu viel, nicht zu wenig: Antibiotika-Einsatz immer heikler

Die frühere Allzweckwaffe gegen Infektionen droht stumpf zu werden. Spitäler müssen daher Antibiotika gezielt einsetzen.

Antibiotika zählen zu den potentesten Heilmitteln gegen Infektionen. Doch weil sich Keime anpassen können, verlieren manche ihre Wirkung. Das verlängert Behandlungen oder verunmöglicht sie gar. Antibiotika-Resistenzen nehmen rasant zu, was nicht zuletzt Spitäler vor Probleme stellt – auch die Spitzenmedizin in der Schweiz.

In der Schweiz sterben jährlich rund 300 Menschen an Infektionen mit multiresistenten Bakterien. Resistenzen seien ein drängendes Problem, sagte Rakesh Padiyath, Direktor des Universitätsspitals Basel USB. Am Montag liess sich Anne Lévy, Direktorin des Bundesamts für Gesundheit BAG, die Massnahmen des USB erläutern.

Medienrundgang am Basler Unispital mit BAG-Direktorin Anne Levy
Legende: BAG-Direktorin Anne Lévy (2. von links) lässt sich im Unispital Basel aus erster Hand über die neuesten Entwicklungen bei Antibiotika-Resistenzen informieren. Keystone/Georgios Kefalas

Für viele medizinische Verfahren in Spitälern sind diese Resistenzen ein Risiko, etwa für Operationen, Kaiserschnitte oder Krebsbehandlungen. Laut dem Universitätsspital Basel erhält rund ein Drittel aller Schweizer Spitalpatientinnen und -patienten Antibiotika. Gegen Resistenzen hilft neben Hygiene – wie konsequente Handdesinfektion – vor allem ein optimaler Einsatz von Antibiotika.

Hälfte der Schweizer Spitäler nicht à jour

Laut einem Monitoring von 2024 hat jedoch erst die Hälfte der Schweizer Spitäler umfassende Programme, die den Antibiotika-Einsatz von der Verschreibung bis zur Wirkung überwachen. Ziele solcher «Antimicrobial Stewardship»-Programme sind weniger Nebenwirkungen, ein kürzerer Spitalaufenthalt und tiefere Behandlungskosten.

Das Programm des USB funktioniere gut, weil das Problem auf allen Ebenen ernst genommen und eingehalten werde, sagt Lévy. Sie hofft daher, dass andere Spitäler von diesem erfolgreichen Beispiel lernen könnten.

Eingang zur Isolation-Abteilung am Unispital Basel
Legende: Patientinnen und Patienten, die mit resistenten Keimen infiziert sind, werden teils isoliert. Für den Kontakt gelten dann spezielle Hygieneregeln, etwa Isolation. Keystone/Georgios Kefalas

Manche Infektionen reisen etwa aus den Ferien mit in die Schweiz. Das sei ein relevantes Problem auch am USB, sagt Sarah Tschudin. Wer ins Universitätsspital Basel gehen muss und vorher im Ausland war oder sich gar dort hatte behandeln lassen, werde gezielt auf kritische Keime untersucht – sofern das USB es erfahre.

Darmkeime als Problem

Standen früher Keime im Fokus, die Haut und Nase besiedeln, machten heute eher Darmkeime Schwierigkeiten, erklärt Tschudin. Weil der Darm von diversen Bakterien besiedelt ist und diese auch braucht, ist die gezielte Bekämpfung hier schwieriger.

Repräsentatives Überwachungssystem in Bern

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Das Universitätsspital Basel USB lässt den eigenen Antibiotika-Verbrauch von der Antibiotika-Resistenz-Fachstelle Anresis statistisch aufbereiten und mit anderen Schweizer Spitälern vergleichen.

Zum Beispiel werden dabei die Intensivstationen betrachtet. Das USB liege da im Durchschnitt der Spitäler vergleichbarer Grösse, aber leicht unter dem Verbrauch von kleineren Spitälern, sagt Nina Khanna, Chefärztin für klinische Infektiologie.

Anresis war von 2000 bis 2004 im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 49 «Antibiotikaresistenz» des Schweizerischen Nationalfonds entwickelt worden. Heute führt das Institut für Infektionskrankheiten (IFIK) der Universität Bern Anresis im Auftrag des BAG.

Bundesstrategie seit zehn Jahren

Der Bund hatte vor zehn Jahren eine Strategie namens StAR lanciert und in einem Aktionsplan 2024–2027 umgesetzt. Damit unterstützt er Spitäler beim Aufbau solcher Programme und will mit der laufenden Revision des Epidemiengesetzes gesetzliche Grundlagen schaffen, um die Prävention und die Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen weiter zu stärken. Der Plan zielt neben der Human- auch auf die Tiermedizin, wo ebenfalls Antibiotika eingesetzt werden.

BAG-Direktorin Lévy besuchte das USB im Vorfeld der «World AMR Awareness Week» (18.–24.11.2025), die für die Problematik sensibilisieren will.

Der gezielte Einsatz sei im Spitalalltag eine Daueraufgabe, sagt Tschudin. Auch wegen des grossen Zeitdrucks: Ein Antibiotikum abzugeben, sei oft eine einfache Lösung. Am Universitätsspital arbeitet die Infektiologie eng mit anderen Abteilungen zusammen, etwa der Intensivstation.

Antibiotika-Resistenzen sind eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit.
Autor: Anne Lévy Direktorin Bundesamt für Gesundheit BAG

Für das BAG seien Antibiotika-Resistenzen schon länger ein Schwerpunkt, sagte Lévy. «Sie sind eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit; man muss diese Bedrohung absolut ernst nehmen», betonte sie. Ohne wirksame Antibiotika stehe der medizinische Fortschritt auf dem Spiel.

Die Schweiz könne auch stolz sein: Dank bisheriger Efforts sei der Verbrauch von Antibiotika reduziert worden. Spitäler hätten eine wichtige Rolle unter anderem bei der Prävention von Infektionen oder in der Ausbildung.

 BAG-Direktorin Anne Lévy im Basler Unispital
Legende: Antibiotika sollen so viel wie nötig und so wenig wie möglich eingesetzt werden, um eine Resistenzbildung zu vermeiden. Wie das Basler Unispital dieses Ziel konkret erreichen will, sah sich BAG-Direktorin Anne Lévy direkt auf der Intensivstation an. Keystone/Georgios Kefalas

Das Basler Unispital startet demnächst eine interne Kampagne für Sorgfalt im Umgang mit Antibiotika, auch mit Weiterbildungen. Eingesetzt werden solche nicht nur zur Infektionsbehandlung, sondern oft auch zur Vorbeugung, etwa vor Operationen. Gebe man sie dabei zu lange ab, könne das zu Resistenzen beitragen, mahnte Nina Khanna, Chefärztin für klinische Infektiologie.

Regionaljournal Basel Baselland, 3.11.2025, 17:30 Uhr ; 

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