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Chinesische Plattformen Shoppen und schämen: Wege aus der Billig-Kaufwut

Viele, die auf Plattformen wie Temu und Shein kaufen, tun das mit schlechtem Gewissen. Eine Expertin nennt Auswege.

Eine Jeans für 17.62 Franken oder eine Smartwatch für 5.21 Franken – die Produkte auf chinesischen Plattformen sind extrem billig und finden immer mehr Käuferinnen und Käufer in der Schweiz. Mittlerweile kennen rund 90 Prozent Anbieter wie Temu, Aliexpress, Wish oder Shein. Das ist das Ergebnis einer Studie des Meinungs­forschungsinstituts Marketagent.

Nach dem Kauf aber die Ernüchterung: Jeder Zweite hält die Qualität der Produkte für gering (51 Prozent). Fast ebenso viele (47 Prozent) hatten nach einem Kauf bereits ein schlechtes Gewissen. Weshalb kauft die Schweizer Kundschaft dennoch? Verhaltens­wissenschaftlerin Bettina Höchli gibt Antworten.

Bettina Höchli

Verhaltensforscherin Universität Bern

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Bettina Höchli ist seit 2024 Dozentin für Social Marketing an der Universität Bern. Sie ist am Institut für Marketing und Unternehmensführung in der Abteilung Consumer Behavior tätig.


SRF: Weshalb kaufen Konsumenten und Konsumentinnen auf chinesischen Plattformen?

Bettina Höchli: Auf Onlineplattformen wie Temu oder Shein kommen viele kurzfristige Motive zusammen: günstige Preise, eine riesige Auswahl, schnelle Lieferung, auch das Gefühl, ein Schnäppchen zu machen. Und das löst ein Belohnungsgefühl aus. Es kann auch unser Bedürfnis nach etwas Neuem oder danach, sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen, befriedigen.

Smartphone-Bildschirm mit Temu- und SHEIN-Apps.
Legende: Beim Onlineshopping kommen sich häufig kurzfristige und langfristige Motive in die Quere. (Symbolbild) Keystone / Oliver Berg

Was verursacht das schlechte Gewissen?

Neben den kurzfristigen Motiven, wie ein Schnäppchen zu machen, haben wir auch längerfristige Kaufmotive. Wir möchten vielleicht ein Produkt von hoher Qualität, das auch nachhaltig ist. Und diese längerfristigen Motive widersprechen häufig den kurzfristigen Motiven. Zum Zeitpunkt des Kaufs gewinnen aber oft die kurzfristigen Motive. Wenn dann die erste Freude nachlässt, wird dieser Widerspruch wieder deutlicher spürbar. Und es kommt zu einem schlechten Gewissen.

Man sollte vor dem Kauf innehalten.

Wer lässt sich besonders verleiten?

Besonders gefährdet sind sicher jüngere Konsumentinnen und Konsumenten, die häufig auf Social Media unterwegs sind. Auch Menschen, die generell eine grössere Impulsivität oder geringere Selbstkontrolle aufweisen, reagieren stärker auf Trends oder Preisdruck.

Wie kann man widerstehen?

Eine erste Möglichkeit ist, eine Weile innezuhalten. Man kauft nicht direkt, sondern fragt sich: Braucht man das Produkt wirklich? Warum braucht man es? Man kann das Produkt vielleicht in den Warenkorb legen, aber noch nicht bestellen, sondern erst einmal 24 Stunden warten und sich dann fragen: Ist der Wunsch immer noch da? Eine andere Möglichkeit ist, die Versuchungen zu reduzieren. Man kann die Einkaufsapp löschen, die Benachrichtigungen ausschalten, nicht mehr auf Social-Media-Posts reagieren oder keine Werbemails anklicken. Wenn diese Reize reduziert werden, reduziert das auch die Impulskäufe.

Das Gespräch führte Natacha Schmassmann.

Tagesschau, 21.10.2025, 19:30 Uhr ; 

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