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Fair geschäften Nachhaltigkeitsregeln als Chance für Schweizer KMU

Das Lieferkettengesetz der Europäischen Union gilt auch für Schweizer Unternehmen, wenn sie ihre Waren oder Dienste exportieren oder diese an einen Konzern verkaufen wollen, der in der EU geschäftet. Eine umfassende Studie im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) versucht eine Gesamtschau. Über die Ergebnisse gibt Studienleiter Christian Hauser von der Fachhochschule Graubünden Auskunft.

Christian Hauser

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Christian Hauser doziert an der Fachhochschule Graubünden. Sein Forschungs- und Beratungsschwerpunkt ist die Internationalisierung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Hauser hat die Studie zu den Auswirkungen internationaler Nachhaltigkeitsregeln auf Schweizer KMU im Auftrag des Seco geleitet.

SRF News: Wann sind die internationalen Nachhaltigkeitsregeln auch für Schweizer KMU relevant?

Christian Hauser: Schweizer Firmen und auch KMU können betroffen sein, wenn sie in Ländern aktiv sind, in denen die Regeln gelten und sie eine gewisse Grösse haben. Doch auch KMU, die bloss aus der Schweiz exportieren, können indirekt davon betroffen sein – wenn ihre Kunden im Ausland unter die Gesetzgebung fallen.

Beispiel Blumenladen

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Blumensträusse.
Legende: Reuters/Claro Cortes

Ein Blumenladen in der Schweiz verkauft Blumen an einen Konzern, der unter die internationalen Nachhaltigkeitsregeln fällt. Die Blumen bezieht der Laden aus Ostafrika. Dort aber kam es beim Ausbau der Blumenplantage zu Zwangsumsiedlungen, zur Abholzung von Regenwald oder zu Kinderarbeit. Nun verlangt der belieferte Konzern vom Blumenladen, dass er sicherstellt, dass solche Praktiken in der Lieferkette seiner Blumen nicht vorkommen.

Laut Ihrer Studie bestehen für Schweizer KMU finanzielle Risiken. Wie zeigt sich das?

Zunächst erzeugt der Aufwand für die Bereitstellung von Informationen und Daten zum Nachweis der Einhaltung der Nachhaltigkeitsvorgaben Kosten. Man muss jemanden einstellen, der das macht oder einen externen Dienstleister damit beauftragen. Zudem werden von den Firmenkunden immer öfter Zertifizierungen verlangt. Auch das kostet Geld.

Links zum Thema:

Viele KMU sind unzufrieden mit der Unterstützung von Bund und Kantonen beim Umgang mit den Nachhaltigkeitsregeln. Was müsste geändert werden?

Die Informationen von Bund und Kantonen für die KMU sind zu wenig spezifisch. Die KMU finden sich im Angebot nicht zurecht. Unser Vorschlag: Man könnte eine Art Lotse einbauen, eine zentrale Stelle, an die sich die KMU wenden könnten und von der aus sie an die für sie richtige Stelle weitergeleitet würden.

Die KMU sollten voneinander lernen können.

Und man müsste branchenspezifische Netzwerke stärken, damit die KMU voneinander lernen könnten. Zudem könnte der Bund zu den einzelnen Ländern über die Exportförderungsstelle Switzerland Global Enterprise länderspezifische Informationen zur Verfügung stellen.

Diskussion in der EU um Lieferkettengesetz

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Das europäische Lieferkettengesetz wurde eigentlich bereits vergangenes Jahr beschlossen. Ziel ist, Menschenrechte und den Schutz der Umwelt weltweit zu stärken. Grosse Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie beispielsweise von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren.

Doch nach Kritik von Unternehmen sollen jetzt Teile der EU-Richtlinie vereinfacht werden, noch bevor sie angewendet werden. Über diesen Schritt sollte zunächst das EU-Parlament abstimmen, bevor zusammen mit den EU-Staaten eine finale Entscheidung getroffen wird. Vor drei Wochen war ein zuvor ausgehandelter Kompromiss im EU-Parlament überraschend gescheitert.

Im zweiten Anlauf kam die Lockerung durch – mit den Stimmen der extrem rechten Parteien. Demnach sollen künftig nur noch Firmen mit mindestens 5000 Beschäftigten und einem Umsatz von 1.5 Milliarden Euro der Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeit unterliegen. Bislang gilt die Richtlinie für Unternehmen ab 1000 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 450 Millionen Euro. Zudem wurde die Verpflichtung gestrichen, Pläne zur Einhaltung von Klimaschutzzusagen vorzulegen.

Vertreter des Parlaments müssen nun mit den EU-Mitgliedstaaten einen endgültigen Text aushandeln. (dpa)

Laut Ihrer Studie sehen die KMU die Vorgaben auch als Chance: Worin können diese liegen?

Einerseits sind schon jetzt viele Schweizer KMU im Bereich Nachhaltigkeit unterwegs. Sie sehen die Chance darin, ihre Nachhaltigkeitspraktiken zu vertiefen und mit ihren Lieferanten und Kunden in eine engere Zusammenarbeit treten zu können, wenn es gesetzliche Vorgaben gibt.

Nachhaltigkeit ist durchaus eine Möglichkeit zur Differenzierung gegenüber Anbietern im Ausland.

Viele Schweizer KMU haben also bereits gewisse Praktiken entwickelt, die jetzt vom Markt nachgefragt werden. Auch kann es ihnen helfen, ihre Reputation zu stärken, wenn sie als nachhaltiges Unternehmen bekannt sind. Nachhaltigkeit ist für Schweizer KMU durchaus eine Möglichkeit zur Differenzierung gegenüber Anbietern im Ausland – eine, die nicht über möglichst tiefe Preise geht.

Viele KMU sehen auch darin eine Chance, weil jetzt für alle Mitbewerber gleich lange Spiesse gelten.

Gibt es weitere Chancen?

Weil die KMU viele Daten und Informationen liefern müssen und Dokumente zusammengestellt werden müssen, kann das die eigene Geschäftstätigkeit stärken. Wenn ein KMU zum Beispiel das Qualitätsmanagement stärkt, optimiert es zugleich auch gewisse Prozesse im Unternehmen und in der Lieferkette. Und das alles kann auch zu Marketingzwecken verwendet werden. Viele KMU sehen die Nachhaltigkeitsvorgaben auch deshalb als Chance, weil jetzt für alle Mitbewerber gleich lange Spiesse gelten.

Das Gespräch führte Silvan Zemp.

SRF 4 News aktuell, 13.11.2025, 6:50 Uhr ; 

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