Sein Umfeld beschreibe ihn als wettbewerbsorientiert und neugierig, sagt der neue Nestlé-Chef Philipp Navratil in einem Video, das der Konzern heute Donnerstag veröffentlichte. Nach seinem ersten öffentlichen Auftritt als Nestlé-CEO kann man sich das gut vorstellen. Seine Ankündigungen zum Anlass der Quartalszahlen lassen aufhorchen.
Nestlé solle endlich wieder wachsen. Es sei keine Option mehr, es einfach zu akzeptieren, wenn Nestlé Marktanteile verliere, so Navratil. Das Portfolio will er auf Herz und Nieren prüfen und schwache Produkte ohne Sentimentalität loswerden. Auch bei der Nestlé-Kultur sieht er grossen Handlungsbedarf: Intern will er dafür sorgen, dass Leistung wieder honoriert wird. Bei der Transformation müsse es jetzt schnell gehen, betont er ein ums andere Mal.
Leistungskultur statt Seilschaften
Dass sich neue Konzernchefs mit Umbauplänen profilieren wollen, ist nichts Ungewöhnliches. Doch mit welcher Direktheit Navratil auch die Probleme in der Firmenkultur anspricht, überrascht. Wenn sich Leistung wieder lohnen soll, heisst das im Umkehrschluss, dass dem bisher nicht so war. In einem solchen Umfeld und gegen alte Seilschaften einen Kulturwandel durchzuboxen, dürfte nicht einfach werden. Dass Navratil nach fast einem Vierteljahrhundert bei Nestlé selbst gut im Unternehmen vernetzt ist, könnte ihm aber dabei helfen.
Über den Kulturwandel hinaus werden Navratils Umbaupläne heute an einer Zahl konkret: 16'000 Stellen will er streichen, das entspricht rund 6 Prozent der gesamten Nestlé-Belegschaft. Auch die Schweiz wird nicht verschont bleiben. Dass Nestlé ein milliardenschweres Sparprogramm fährt, war bereits bekannt. Doch was konkrete Zahlen zum Abbau von Jobs anging, hielt sich der Konzern bis jetzt bedeckt.
Mit dem grossen Stellenabbau unterstreicht der neue Konzernchef die Dringlichkeit des Umbaus. Doch bei der Belegschaft, die gerade noch die Skandale und unrühmlichen jüngsten Wechsel im Top-Management verdauen muss, dürfte die Botschaft keine Freude auslösen.
Börse jubelt
Positiv reagierte heute die Börse: Die Nestlé-Aktie schloss satte 9.3 Prozent im Plus. Neben den guten Quartalszahlen dürfte es heute vor allem die angekündigte Dividendenpolitik gewesen sein, die für diesen Kurssprung verantwortlich war.
Doch der Kurssprung kann auch als Vertrauensvorschuss gelesen werden: Die Finanzgemeinde scheint dem wettbewerbsorientierten neuen Konzernchef offenbar zuzutrauen, den trägen Lebensmittelriesen Nestlé wieder auf Wettbewerbsfähigkeit zu trimmen.