Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Insulaner gegen Zementkonzern Gericht lässt Klimaklage zu: Muss Holcim für Klimaschäden zahlen?

Erstmals in der Schweiz dürfen Geschädigte gegen einen Konzern wegen Klimaschäden klagen. Holcim legt Berufung ein.

Die Klage: Vier Bewohnerinnen und Bewohner der kleinen indonesischen Insel Pari klagen gegen Holcim, einen der grössten Zementhersteller der Welt. Sie tun dies vor dem Zuger Kantonsgericht, weil der Weltkonzern Holcim seinen Hauptsitz in Zug hat. Die Klägerinnen und Kläger geben dem Zementkonzern eine Mitschuld am Klimawandel. Dieser lässt den Meeresspiegel ansteigen, was für die Insel Pari je länger, desto lebensbedrohlicher wird. Holcim müsse seine Emissionen rascher reduzieren als bisher vorgesehen und einen Teil der Kosten übernehmen, die die Erderwärmung auf Pari anrichte, so die Forderung.

Der CO₂-Ausstoss von Holcim

Box aufklappen Box zuklappen

Der Zementkonzern Holcim gehört zu den sogenannten «Carbon Majors», den 180 Konzernen weltweit, die am meisten klimaschädliches CO₂ ausstossen. Der Konzern hat seit 1950 rund doppelt so viel CO₂ ausgestossen wie die Schweiz. Seit 1990 hat Holcim den CO₂-Ausstoss allerdings um 30 Prozent reduziert. Bis 2050 will der Konzern klimaneutral produzieren.

Das Urteil: Das Zuger Kantonsgericht kommt zum Schluss, dass die Klage der vier Bewohnerinnen und Bewohner zulässig sei. Das ist eine Premiere in der Schweiz. Noch nicht geäussert hat sich das Gericht zur Frage, ob Holcim tatsächlich für die Folgen des Klimawandels auf Pari verantwortlich ist. Der Zementkonzern hat bereits angekündigt, Berufung einzulegen.

Die wichtigsten Argumente: Aus Sicht von Holcim sind Gerichte nicht der richtige Ort, um gegen den Klimawandel vorzugehen. Die Politik müsse festlegen, wer wie viel CO₂ ausstossen dürfe und nicht ein Gericht. Diese Argumente hat Holcim allerdings bereits in der Hauptverhandlung im September vorgebracht. Die Richter nehmen deshalb im Urteil explizit dazu Stellung und betonen, Gerichtsentscheide würden die demokratisch legitimierte Klimapolitik nicht ersetzen, sondern sie ergänzen. Im vorliegenden Fall gehe es nicht um Schweizer Klimapolitik, sondern um konkrete Forderungen von Bewohnerinnen und Bewohnern einer kleinen Insel.

Das weitere Verfahren: Die nächste Instanz ist das Zuger Kantonsgericht. Die Parteien können das Urteil dieses Gerichts jedoch zuerst ans Bundesgericht in Lausanne weiterziehen und später auch an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg. Erst, nachdem die Klage rechtskräftig zugelassen würde, könnte auch die Frage geklärt werden, ob Holcim bezahlen und seine CO₂-Massnahmen verschärfen muss. Der Fall wird die Gerichte – und auch die Öffentlichkeit – also noch Jahre beschäftigen.

Die möglichen Folgen: Sollte die Klage definitiv zulässig sein, würde der Druck auf alle grossen Klimasünder weiter steigen. Sie müssten vermehrt mit Klagen rechnen. In dieser Situation haben die Konzerne grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder sie kommen den Forderungen der Kläger und Klägerinnen nach und reduzieren ihre Emissionen – sprich stellen ihr Geschäft um – oder sie versuchen, Druck auf die Politik zu machen und möglicherweise auch direkt auf die Gerichte, um zu verhindern, dass weitere solche Klagen zugelassen werden.

Die internationale Bedeutung: Das Urteil des Zuger Kantonsgerichts ist zwar das erste seiner Art in der Schweiz. Es reiht sich jedoch in eine sehr dynamische internationale Entwicklung ein. In rund 60 Ländern weltweit sind derzeit fast 3000 Klimaklagen unterschiedlicher Art hängig. Erst im Sommer hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag festgestellt, dass Klimaschutz ein Menschenrecht sei. Und im Frühjahr liess ein deutsches Gericht die Klimaklage eines peruanischen Bauern gegen den Energiekonzern RWE zu. Das Urteil aus Zug wird deshalb weltweit grosse Beachtung finden.

HeuteMorgen, 22.12.2025, 06:00 Uhr;schn

Meistgelesene Artikel