- Fast 1000 Baubeschäftigte haben in Bern für einen neuen Gesamtarbeitsvertrag und gegen überlange Arbeitszeiten demonstriert.
- Die meisten Baustellen in Bern und Umgebung standen still.
- Betroffen waren auch die Grossbaustellen für den Umbau des Bahnhofs Bern und das neue Polizeizentrum in Niederwangen.
Nach der Kundgebung auf dem Waisenhausplatz zog ein Protestumzug mit fast 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durch die Innenstadt, wie die Gewerkschaften Unia und Syna mitteilten. Auf Transparenten war zu lesen «Keine 6-Tage-Woche auf dem Bau».
In diesem Jahr läuft der Landesmantelvertrag – der Gesamtarbeitsvertrag – der rund 80'000 Schweizer Bauarbeitenden aus. Die fünfte Verhandlungsrunde ging diese Woche ergebnislos zu Ende. Kommt bis Jahresende keine Einigung zustande, droht 2026 erstmals seit über einem Jahrzehnt ein vertragsloser Zustand. Für Unia und Syna sind in diesem Fall Branchenstreiks absehbar.
Grosser Fachkräftemangel absehbar
«Ohne Bauarbeiter geht nichts, das zeigen wir heute», sagte Chris Kelley, Co-Leiter Sektor Bau von Unia auf dem Waisenhausplatz. Dem Baugewerbe läuft gemäss einer Studie der Baumeister jeder zweite qualifizierte Maurer davon, wie Nico Lutz erklärte, Verhandlungsleiter und Mitglied der Unia-Geschäftsleitung. Bis 2030 fehlt demnach jeder vierte qualifizierte Beschäftigte, bis 2040 jeder dritte.
Gleichzeitig wächst das Bauvolumen. Die Bauarbeiter seien mit Arbeitstagen von bis zu neun Stunden in der Sommerhitze, Überstunden und ausufernden Reisezeiten von den Firmen auf die Baustellen am Limit, sagte Lutz.
Überlange Arbeitstage
Dennoch will der Schweizerische Baumeisterverband gemäss Angaben die Arbeitsbedingungen weiter verschlechtern. Die Baumeister wollten 400 Überstunden im Jahr und den Samstag als normalen Arbeitstag ohne Zuschlag festschreiben, erklärte Lutz. Weiterhin verweigerten sie die andernorts normale, bezahlte Znünipause.
Die durch überregionale Aufträge ausufernden Reisezeiten auf die Baustellen wollten die Arbeitgeber auf bis zu zweieinhalb Stunden am Tag festlegen. Eine halbe Stunde davon sei unbezahlt.
Auch mit dem Argument der höchsten Löhne nach der Lehre sei es nicht weit her, fuhr Lutz fort. Die Anfangslöhne nämlich sollten nach dem Willen der Baumeister um ein Viertel sinken. Von ihren Positionen sei die Arbeitgeberseite in fünf Verhandlungsrunden nicht im Geringsten abgerückt.
Landesweite Aktionen
Mit Protesten und Arbeitsniederlegungen in allen Landesteilen machen die Gewerkschaften derzeit auf ihre Anliegen aufmerksam. Den ersten Protesttag gab es am 20. Oktober im Tessin. Nach Bern folgen nächste Woche die Romandie und die Nordwestschweiz, später Zürich.
Der Schweizerische Baumeisterverband berät in der kommenden Woche an der Delegiertenversammlung über das weitere Vorgehen. Die Baumeister wollen die Wochenarbeitszeit bei 40.5 Stunden belassen und verlangen flexible Arbeitszeiten, damit die Baustellen beispielsweise verlorene Schlechtwetter-Arbeitszeit kompensieren können. Das bedeutet gemäss den Gewerkschaften Arbeit am Samstag.
Das komme nur ausnahmsweise vor, beteuerte der Baumeisterverband am Mittwoch in einer Reaktion. An den guten Arbeitsverhältnissen halte man fest. Ein Langzeitkonto solle das Sparen von Mehrstunden ermöglichen. Bei den Reisezeiten sei den Baumeistern eine einfache Lösung für lokal tätige Betriebe wichtig. Die Protestaktionen würden gegen den aktuellen Vertrag und die Friedenspflicht verstossen, wiederholte der Verband.
