SRF News: Knapp 550 Millionen Dollar – ist das viel?
Manuel Rentsch: Ja, eine halbe Milliarde Dollar ist viel Geld. Aber man weiss ja, wenn eine Firma mit den amerikanischen Justizbehörden in Konflikt gerät, wird es teuer – das sind die Spielregeln. Es ist die bisher drittgrösste Busse, welche eine Schweizer Bank im Steuerstreit bezahlen muss. Die grösste Busse hat bisher die Credit Suisse mit 2,8 Milliarden bezahlt, gefolgt von der UBS mit 780 Millionen Dollar. Gleich wie die Grossbanken gehörte auch Julius Bär zu den Banken der Kategorie 1, das sind jene Banken, gegen welche Strafverfahren gelaufen sind. Zur Kategorie 2 wiederum gehören jene Banken, die mehr oder weniger freiwillig ihre Geschäfte mit amerikanischen Kunden offenlegen.
An Weihnachten und Neujahr interessieren sich die Medien und die Öffentlichkeit vielleicht etwas weniger für den Steuerstreit.
Diese provisorische Einigung wird ausgerechnet über die Feiertage bekannt – warum gerade jetzt?
Es hat eine gewisse Strategie. Bereits vor einem Jahr wurde auch ein Deal kurz vor Weihnachten bekanntgegeben, das war am 23. Dezember. Dann hat sich die Bank Leumi mit den Behörden geeinigt. Leumi hat damals 400 Millionen bezahlt. Zum einen wollen die Banken und auch die Behörden kurz vor dem Jahresende ihre Pendenzen abarbeiten und zum anderen hat es vielleicht auch taktische Gründe: An Weihnachten und Neujahr interessieren sich die Medien und die Öffentlichkeit vielleicht etwas weniger für den Steuerstreit, da will man lieber die Feiertage geniessen. Es ist also für die Behörden und die Banken eine gute Möglichkeit, das heikle Thema etwas zu entschärfen.
Ich gehe davon aus, dass die Bank Bär auf eine rasche Einigung gedrängt hat.
Die Einigung ist provisorisch, also noch nicht in trockenen Tüchern. Warum informiert Julius Bär jetzt schon?
Ich gehe davon aus, dass die Bank Bär auf eine rasche Einigung gedrängt hat und die wichtigsten Verhandlungen sind offenbar abgeschlossen. Nun geht es noch darum, alles schriftlich festzuhalten und die Berichte abzuschliessen. Weiter ist es auch so, dass Julius Bär die Einigung dringend benötigt, damit sie sich anderen Geschäften zuwenden kann, denn dieser Steuerstreit hat die Bank in der strategischen Ausrichtung etwas blockiert. So ist zum Beispiel bekannt, dass sich die Bank Bär dafür interessiert, eine Konkurrentin zu übernehmen. Derzeit steht die Tessiner Bank BSI zum Verkauf. BSI ist eine Bank mit 2000 Angestellten und einem verwalteten Vermögen von fast 100 Milliarden. Diese BSI ist eine Übernahmekandidatin, weil deren Eigentümerin, eine Bank aus Brasilien, Geld benötigt. Julius Bär wäre da eine mögliche Käuferin der BSI und eine Einigung mit den amerikanischen Justizbehörden würde Julius Bär nun den Rücken für eine solche Übernahme freihalten.
Noch haben nicht alle involvierten Banken mit den USA eine Einigung gefunden. Was ist, Stand heute, noch offen?
Es gibt nun noch rund 20 Banken, die mit den amerikanischen Behörden einen Vergleich abschliessen möchten. Darunter hat es auch solche der Kategorie 1, gegen welche ein Strafverfahren läuft. Das sind Banken wie die Zürcher und die Basler Kantonalbank oder auch Pictet und Rahn & Bodmer. Bisher haben sich insgesamt 77 Banken der Kategorie 1 und 2 mit den amerikanischen Behörden geeinigt, diese Banken bezahlen Bussen von insgesamt 5,5 Milliarden Dollar.
Ist absehbar, wann der Steuerstreit endgültig beendet ist?
Ich gehe davon aus, dass sich die restlichen Banken in den nächsten Monaten mit den amerikanischen Behörden einigen werden. Es ist also absehbar, dass das Thema abgeschlossen wird. Es ist die grösste Offenlegung von Steuerdelikten, die es jemals in der Schweizer Bankengeschichte gegeben hat. Noch nie wurden die Banken derart intensiv durchleuchtet, wie in den vergangenen acht Jahren.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.
Bankenrechtsexperte Peter V. Kunz zur provisorischen Einigung:
«In erster Linie ist die Einigung ein grosser Fortschritt für die Bank Julius Bär selber. Sie hatte mit diesen Verfahren eine grosse Belastung, weil man nicht genau gewusst hat, was dies für die Bank bedeutet. Man muss aber auch sagen, dass es für den gesamten Bankenplatz Schweiz ein wichtiger Fortschritt sein wird, weil die ganze Thematik dieser Kategorie-1-Banken nach wie vor belastend war für den Bankenplatz. Die Schweizer Banken kommen besser davon, als man ursprünglich gemeint hat. Wobei ich immer davon ausgegangen bin, dass man gerade von amerikanischer Seite bewusst Horrorszenarien aufgebaut hat, um die Schweizer Banken und Behörden ein bisschen gefügiger zu machen. Sämtliche Schreckensszenarien haben sich nicht verwirklicht, weil die Amerikaner dies schlicht und ergreifend nicht gewollt haben. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass die meisten der Kategorie-2-Banken nicht so hohe Bussen bezahlen mussten. Es war aber trotzdem ein enormer finanzieller Aufwand. Bei Julius Bär geht man davon aus, dass sie nebst dieser Busse in etwa 90 Millionen Dollar für Rechtsanwälte und Berater aufgewendet hat.» |