Krankenkasse wechseln oder nicht – diese Frage stellen sich derzeit viele Menschen, weil klar ist, dass die Prämien auf nächstes Jahr hin steigen. Noch grösser war der Aufschrei vor zwei Jahren, als der Anstieg durchschnittlich fast 9 Prozent betrug. Gemäss Umfragen wollten 20 bis 25 Prozent der versicherten Personen die Krankenkasse wechseln. Der Blick auf die tatsächlichen Zahlen zeigt: Das war viel zu hoch gegriffen. SRF-Wirtschaftsredaktorin Susanne Schmugge beantwortet die wichtigsten Fragen.
Warum gibt es jetzt neue Zahlen und was zeigen sie?
Das Bundesamt für Gesundheit wertet seit 2021 jedes Jahr aufgrund anonymisierter Individualdaten die tatsächlichen Krankenkassenwechsel aus. Die neueste Auswertung wurde kürzlich publiziert. Sie zeigt, auf Anfang 2024 haben über alle Versicherten 8.4 Prozent die Krankenkasse gewechselt. Viel weniger, als die Umfragen hätten vermuten lassen. Was auffällt: Junge wechseln vergleichsweise häufig. Ebenso Versicherte mit hoher Franchise. Ebenfalls überdurchschnittlich wechselfreudig sind die Versicherten im Kanton Jura.
Gibt es für die Differenzen Erklärungen?
Es gibt Mutmassungen. Es kann sein, dass das Wechseln die Leute überfordert, dass es zu kompliziert ist. Dass zum Beispiel Fristen verpasst werden. Denkbar wäre auf der anderen Seite auch, dass der Problemdruck bei vielen Leuten nicht derart gross ist, dass sie den Aufwand des Wechselns auf sich nehmen. Gemäss den Fachleuten beim BAG ist zudem regelmässig zu beobachten, dass berichtetes Verhalten («Ich ärgere mich über den Prämienanstieg und nehme mir vor, zu wechseln») und das tatsächliche Verhalten («Ich setze es auch um») stets divergieren. Warum die Versicherten im Kanton Jura besonders wechselfreudig sind, ist gemäss BAG nicht klar.
Bringt die «Wechslerei» überhaupt etwas?
Es stimmt, dass die Wechsel administrativen Aufwand bedeuten und Kosten verursachen. Handkehrum zwingt der Wettbewerb die Krankenkassen, die Kosten tief zu halten und gleichwohl guten Service zu bieten. Konkurrenz ist in der Regel vorteilhaft für die Konsumentinnen und Konsumenten. Das ist zumindest die Theorie. Allerdings wechseln primär jene Versicherten die Krankenkasse, die sowieso tendenziell tiefe Kosten haben – und darum zum Beispiel eine hohe Franchise wählen.
Kann man bei hohen Gesundheitskosten überhaupt noch wechseln?
Gemäss Gesundheitsökonomen wäre wünschenswert, dass auch Leute mit tieferer Franchise respektive mit höheren Kosten vermehrt wechseln. Das tun diese vergleichsweise selten – obwohl es durchaus möglich wäre: Innerhalb der Grundversicherung sind die Krankenkassen nämlich verpflichtet, jeden aufzunehmen. Ausserdem gibt es einen finanziellen Ausgleich zwischen Krankenkassen mit vielen Versicherten mit hohen Kosten und solchen mit tiefen Kosten. Die Kassen sollten dadurch keinen Anreiz haben, sich nur um gesunde und günstige Leute zu bemühen, sondern auch für alle anderen attraktiv zu sein.