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Start-up «Bist du zu diesen Opfern bereit?»

Ob ein Start-up wirklich durchstartet, hat viel mit der Persönlichkeit seiner Gründer zu tun. Für Start-up-Coach Jean-Pierre Vuilleumier hat es dann gute Chancen, wenn drei Eigenschaften zusammenkommen: Passion, Offenheit und maximale Leistungsbereitschaft.

Welche drei Dinge muss ich erfüllen als Start-up-Unternehmer?

Es gibt diese «Start-up-DNA». Erstens: Wollen. Du musst passioniert sein von dem, was du tust. Zweitens: Zuhören. Ich sage dazu auch «coachable sein». Du musst nicht alles tun, was andere sagen, aber du musst offen sein für andere Meinungen und Ideen. Drittens: Hart arbeiten. Du brauchst Durchhaltevermögen. Es ist wirklich anstrengend, eine Firma aufzubauen. Es gibt viele Höhen, viele Tiefen. Du musst dich immer wieder aufraffen, Neues probieren und nicht aufgeben.

Jean-Pierre Vuilleumier

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Der profunde Kenner der Schweizer Start-up-Szene war 2006 für die Sendung «Start up» des Schweizer Fernsehens fester Bestandteil der Coaches, die Jungunternehmer auf ihrem Weg zur eigenen Firma beriet und begleitete. Heute ist er Geschäftsführer der Finanzierungs-Plattform Swiss Startup Invest (vormals CTI Invest).

Wenn ich unsicher bin, ob ich das Zeug zum Gründer oder zur Gründerin habe – welche Frage muss ich mir stellen?

Bin ich bereit, diese Opfer zu bringen? Die Jungunternehmer, die Erfolg haben, haben dafür sehr viel dafür geopfert.

Zum Beispiel?

Sie hatten sehr wenig Freizeit. Einen bescheidenen Lohn. Sehr wahrscheinlich ist die Beziehung in die Brüche gegangen. Und deshalb die Frage: Bist du dazu bereit? Es ist ein 24/7-Job, fast das ganze Jahr hindurch. Du musst auf sehr viel verzichten, wenn du erfolgreich sein willst – vor allem, wenn du es das erste Mal machst.

Aber wenn ich so viel opfern muss, was bekomme ich denn dann zum Ausgleich dafür?

Sehr viele Dinge. Du kannst deine Passion leben. Du hast Erfolg, bekommst Anerkennung – im besten Fall auch finanziell. Und du kannst ein Problem lösen, das diese Welt hat. Die Entschädigung für diese Opfer ist sehr, sehr gross.

Persönlichkeit ist matchentscheidend

Wie wichtig ist die Persönlichkeit überhaupt für einen Jungunternehmer?

Sie ist matchentscheidend. Man sieht immer wieder: Bei wirklich erfolgreichen Firmen gibt es eine oder mehrere Personen mit wirklich starker Persönlichkeit. Sie setzen wirklich um, sie sind offen geblieben, haben sehr viel Energie.

Beispiel Facebook: Wie viel des Erfolgs ist auf die Persönlichkeit von Mark Zuckerberg zurückzuführen?

Mehr als die Hälfte. Er hatte eine klare Vision, und er hat all diese Fähigkeiten wie Passion und Durchhaltewillen mitgebracht. Er ist herausragend. Und er ist immer noch im Unternehmen, das ist auch wichtig. Facebook ist Zuckerberg – auch wenn er jetzt Tausende von Mitarbeitern hat. Denn es gab ja viele andere Lösungen in diesem Bereich, die es nicht geschafft haben.

Und im Falle von Zalando: Weshalb ist der deutsche Online-Händler unter den drei Samwer-Brüdern so durchgestartet?

Das ist genau das Gleiche. Es ist zwar nicht so herausragend wie die Entwicklung von Mark Zuckerberg. Aber die drei haben «executed», umgesetzt. Sie sind sehr streng, sehr fordernd.

Wie viel hat Scheitern mit der Persönlichkeit von Unternehmern zu tun?

Es hat nicht immer mit der Persönlichkeit zu tun, wenn es nicht klappt. Ich denke eher: Eine grosse Persönlichkeit, die die erwähnten Fähigkeiten mitbringt, ist auch eher in der Lage, freiwillig zu scheitern. Sie erkennt: Das kommt nicht an, das funktioniert nicht, ich höre jetzt auf und fange etwas Neues an.

Ich sehe viel zu oft schwache Persönlichkeiten, die nicht loslassen können im richtigen Moment. Sie tüfteln jahrelang am Produkt weiter, ohne den Markteintritt zu schaffen, und sie verbrennen sehr viel Geld. Ich sage noch einmal: Durchhaltewillen und Passion braucht es. Aber du musst auch fähig dazu sein, den Stecker zu ziehen. Das braucht sehr viel Mut und Stärke.

Erfinder sollten die Finger vom Gründen lassen

Wer sollte die Finger von einem selbst gegründeten Unternehmen lassen?

Erfinder. Sie sind immer in ihre Lösung verliebt. Und sie bauen Produkte, die niemand will, weil sie nicht gefragt haben, ob die Kunden das auch so sehen. Ihnen würde ich dringend abraten. Ich würde ihnen auch niemals Geld geben.

Aber am Anfang steht doch meistens eine Erfindung.

Es gibt aber einen Unterschied. Da sind diejenigen, die etwa an der ETH eine Doktorarbeit schreiben, aus der eine wissenschaftliche Erkenntnis herauskommt, und die dann eine Firma gründen. Das ist nicht das gleiche wie der Tüftler, der in seinem Stübchen sitzt und vor sich hintüftelt.

Nicht gründen sollten ausserdem Leute, die empfindlich sind, Menschen die wenig kritikfähig sind und mit strengen Worten nicht umgehen können – denn man kann sich darauf verlassen, dass diese Worte irgendwann von Investoren oder vom Markt kommen. Und natürlich ist auch allen abzuraten, die keine Opfer bringen wollen. Ihnen sage ich: Geh lieber in einen Grosskonzern, oder werde Beamter.

Das Interview führte: Manuela Siegert

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