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Statt Schulen und Spitäler Hohe Zinsen kosten arme Länder Milliarden

Arme Länder kämpfen mit Rekordschulden und teuren Krediten – Milliarden fehlen für zentrale Investitionen.

Viele Entwicklungs- und Schwellenländer sind hoch verschuldet. Laut dem jüngsten Schuldenbericht der Weltbank beliefen sich allein die Auslandsschulden dieser Staaten letztes Jahr auf 8.9 Billionen Dollar. Das sei so viel wie noch nie, schreibt die Weltbank.

Zinsen statt Spitäler und Schulen

Diese Auslandsschulden kommen Entwicklungs- und Schwellenländer teuer zu stehen: Letztes Jahr zahlten sie zusammen rekordhohe 415 Milliarden Dollar an Zinsen auf ihre Schulden. Dieses Geld kann nicht in andere Bereiche investiert werden, wie in Spitäler, Schulen oder andere grundlegende Infrastruktur.

Zwei Kinder stehen vor einer Tafel
Legende: Weil viele Entwicklungs- und Schwellenländer viel Geld in die Tilgung ihrer Schulden investieren müssen, fehlt das Geld anderswo, etwa bei den Schulen. AP Photo/Rebecca Blackwell

Die Weltbank weist darauf hin, dass sich in den am höchsten verschuldeten Ländern mehr als die Hälfte der Bevölkerung keine gesunde Mindesternährung leisten kann. Das macht deutlich: Schuldenquoten sind nicht nur eine Kennziffer des Staatshaushalts, sondern oft ein Symptom tiefer struktureller Krisen.

Mehr Abfluss statt Zufluss

Dass die Staaten so viel zahlen mussten, um ihre Schulden zu bedienen, hat nicht nur mit den hohen Schuldenständen zu tun, sondern auch mit der Tatsache, dass die Zinsen für neue Schulden stark gestiegen sind. Teilweise sind sie so hoch wie seit Mitte der 2000er-Jahre nicht mehr.

Die Konsequenz: In den Jahren 2022 bis 2024 floss mehr Geld aus Entwicklungs- und Schwellenländern ab, um fällige Schulden zu begleichen und Zinsen zu zahlen, als hereinkam. Laut Weltbank betrug der Nettoabfluss rund 740 Milliarden Dollar – so viel wie seit mindestens 50 Jahren nicht mehr.

Wie viele Kredite vergab die Weltbank?

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Die Weltbankgruppe hat 2024 Entwicklungs- und Schwellenländern 36 Milliarden Dollar geliehen. Das sind laut der Bank 30 Prozent mehr als 2023 und so viel wie noch nie.

Die Bank hat ausserdem 7.5 Milliarden Dollar an Zuschüssen an die ärmsten Länder der Welt gesprochen. Das ist Geld, das nicht zurückgezahlt werden muss. Die Weltbank füllte damit einen Teil der Lücke, die entstanden ist, weil viele Staaten ihre Kreditvergabe an Entwicklungs- und Schwellenländer zurückgefahren haben.

Entwicklungs- und Schwellenländer erhielten 2024 nur 4.5 Milliarden Dollar an Krediten von anderen Staaten, was einem Rückgang von 76 Prozent entspricht.

Private Investoren zuversichtlicher

Die Auslandskredite für Entwicklungs- und Schwellenländer kamen 2024 fast zur Hälfte von multilateralen Institutionen wie der Weltbank, anderen Entwicklungsbanken und dem Internationalen Währungsfonds.

Weitere 40 Prozent kamen von privaten Geldgebern, vor allem über Anleihenkäufe an internationalen Finanzmärkten. Dass es den Staaten wieder vermehrt gelungen sei, Anleihen an diesen Märkten zu platzieren, sei positiv, so die Weltbank. Noch vor ein paar Jahren waren viele Entwicklungs- und Schwellenländer von diesen Märkten ausgeschlossen.

Die Auslandsschulden der Entwicklungs- und Schwellenländer haben 2024 zwar zugenommen, aber deutlich weniger stark als in den Jahren davor. Ein Grund ist, dass viele Staaten mehr Geld im Inland statt im Ausland aufgenommen haben.

Auslands- versus Inlandsverschuldung

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Staaten können sich im Ausland verschulden oder im Inland. Viele Schwellen- und Entwicklungsländer sind vor allem im Ausland verschuldet, weil die eigenen Bürger und Unternehmen oft zu wenig Geld haben, um dem Staat grössere Summen zu leihen. Ausserdem sind viele Entwicklungs- und Schwellenländer auf Importe aus dem Ausland angewiesen, etwa auf Energie, die sie in Fremdwährung bezahlen müssen, vor allem in Dollar.

Um an diese Fremdwährung zu kommen, müssen sie Kredite im Ausland aufnehmen. Dass die Entwicklungs- und Schwellenländer nun vermehrt Kredite im Inland aufnehmen, ist laut Weltbank ambivalent.

Positiv sei, dass es den Staaten vermehrt gelinge, heimische Ressourcen zu mobilisieren. Die Verschuldung im Inland, etwa bei den eigenen Banken, Pensionskassen oder Investoren, hat den Vorteil, dass die Staaten die Konditionen der Verschuldung besser kontrollieren können, durch Gesetze oder etwa über die Geldpolitik der Zentralbank. Ausserdem entfällt das Wechselkursrisiko. Bei Auslandsschulden besteht nämlich die Gefahr, dass die Fremdwährung aufwertet und dadurch die Schuldenlast für ein Land real steigt.  

Negativ an Inlandsschulden ist, dass sie Investitionen in die lokale Wirtschaft bremsen können, weil Finanzinstitute, aber auch Privatpersonen ihr Geld lieber dem Staat geben als privaten Kreditnehmern. Unternehmen, die investieren wollen, fehlt dann Geld, oder sie bekommen Kredite nur zu schlechten Konditionen.

Mehr Umschuldungen

Einigen Entwicklungs- und Schwellenländern ist es 2024 auch gelungen, die Last ihrer Auslandsschulden zu reduzieren. Laut der Weltbank wurden Schulden in der Höhe von 90 Milliarden Dollar neu organisiert, so viel wie seit 2010 nicht mehr. Dabei konnten Staaten wie Ghana, Haiti, Somalia oder Sri Lanka Vereinbarungen mit ihren Gläubigern treffen, die ihre langfristigen Schuldenbelastung teilweise deutlich reduzierten.

Die Weltbank sieht diese Entwicklung positiv, kritisiert aber, dass viele Umschuldungen immer noch zu langsam und unkoordiniert vonstattengehen. Hier brauche es Verbesserungen.

Weshalb sind Schuldenerlasse und Umschuldungen so schwierig?

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Damit einem Land die Schulden erlassen werden können, müssen sich die verschiedenen Gläubiger an einen Tisch setzen und sich auf die Modalitäten einigen. Das ist äusserst schwierig, da das Feld der Kreditgeber sehr heterogen ist: Zu den klassischen Geldgebern – den reichen Staaten des globalen Nordens – sind in den letzten Jahren zahlreiche weitere dazugekommen, private und öffentliche.

Der wichtigste bilaterale Geldgeber vieler Entwicklungsländer ist China. Das Land ist aber sehr zurückhaltend beim Erlass von Schulden. Diese Haltung führt auch zu einer Zurückhaltung der anderen Geldgeber. Denn keiner will zugunsten eines anderen auf seinen Anteil verzichten. Ausserdem sind viele Staaten zusätzlich bei der Weltbank, regionalen Entwicklungsbanken oder dem Internationalen Währungsfonds verschuldet. Diese multilateralen Geldgeber machen bei Schuldenschnitten grundsätzlich nicht mit.

Die G20-Staaten haben 2020 das «Common Framework for Debt Treatments» ins Leben gerufen. Das Forum soll es den ärmsten Ländern erleichtern, Schuldenerleichterungen zu bekommen. Dabei gelten bestimmte Prinzipien: Alle Geldgeber sollen gleichbehandelt werden. Ein Land, dem die Schulden erlassen werden, muss sich ausserdem an einem Reformprogramm des Internationalen Währungsfonds beteiligen. Vor drei Jahren haben der IWF, die Weltbank und die G20 ausserdem den Global Sovereign Debt Roundtable ins Leben gerufen. Ein Forum, in dem sich die verschiedenen Gläubiger über Prozesse, Standards und Prinzipien einigen sollen. Der Erfolg beider Initiativen ist bisher bescheiden.

SRF4 News, 3.12.2025, 16:10 Uhr; herb

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