Das Geschäft wächst: Immer mehr Menschen lassen sich von privaten Firmen oder von der öffentlichen Spitex für die Pflege ihrer Angehörigen anstellen. Letztes Jahr waren es mindestens 3000 Töchter, Ehepartner oder Mütter, dieses Jahr dürften es Tausende mehr sein.
Laut Bundesrat gibt es Hinweise darauf, dass mit diesen Anstellungen hohe Gewinne erzielt werden könnten: «Eine solche Gewinnmaximierung ist grundsätzlich unerwünscht.»
Marianne Pfister vom Verband Spitex Schweiz spricht von Missständen: «Im Moment kann das System von Anbieterinnen ausgereizt werden und es können übermässige Gewinne gemacht werden.» Sie vertritt die öffentlichen Spitzenorganisationen, also jene, die vor allem Profis zu ihren Klientinnen und Klienten schickt. Dass Firmen Angehörige für die Pflege bezahlen würden, ist ihrer Meinung nach aber eine sinnvolle Ergänzung.
Zu hohe Gewinne oder gerechtfertigter Aufwand?
Die Idee ist eigentlich bestechend: Die Betreuung und Pflege Angehöriger ist eine grosse Stütze für das Gesundheitswesen. Der allergrösste Teil dieser Arbeit wird unbezahlt erbracht. Der Bund schätzt den Wert dieser unbezahlten Arbeit fürs Jahr 2020 auf 3.4 Milliarden Franken.
Viele dieser pflegenden Angehörigen leisten weniger Erwerbsarbeit und verdienen so weniger. Die Anstellung als Pflegehilfe kann diesen Ausfall zumindest teilweise auffangen. Insgesamt kommt die Angehörigenpflege und -betreuung die Allgemeinheit deutlich günstiger als ein Pflegeheimaufenthalt. Auch, weil das Gros der geleisteten Stunden nicht entschädigt wird.
Das Problem dabei: Die Firmen bekommen pro geleistete Stunde Pflege im Schnitt 80 Franken, davon fliessen im Schnitt 35 Franken an die angestellten pflegenden Angehörigen. 45 Franken bleiben für die Ausbildung und Begleitung der pflegenden Angehörigen, die Sozialleistungen und administrative Kosten.
Dem Bundesrat scheint das zu viel zu sein. Er möchte aber, dass die Krankenkassen und auch die Kantone den Anbietern genauer auf die Finger schauen. Selbst will er aber nicht eingreifen.
Pflegewegweiser nimmt Stellung
Die wahrscheinlich grösste Arbeitgeberin für pflegende Angehörige ist die Firma Pflegewegweiser und betreibt intensives Marketing für ihr Angebot. Sie beschäftigt nach eigenen Angaben inzwischen bereits 3000 Angehörige.
Gewinne erzielen wir durch Effizienzmaximierung und Pflegequalität.
Der medizinische Direktor Andreas Hellmann weist den Vorwurf der Gewinnmaximierung entschieden zurück. Sagt aber: «Unsere Gewinne erzielen wir durch Effizienzmaximierung der Versorgung und durch eine höhere Pflegequalität.»
Er weist aber auch darauf hin, dass Pflegewegweiser und andere Anbieter für eine Stunde Pflege je nach Kanton unterschiedlich viel Geld bekämen. Entsprechend gross sind die Unterschiede bei den abgerechneten Kosten pro Stunde Pflege.
Bei einigen Kantonen scheinen diese Finanzierung sehr grosszügig zu sein. Zehn Kantone haben ihre Beiträge bereits reduziert, elf weitere prüfen es.
Dem Spitex-Verband geht das zu wenig weit: «Der Bund muss eingreifen,» sagt Pfister. Und auch die Krankenkassen fordern vom Bundesrat, den Krankenkassenbeitrag zu kürzen.
Ob zu viel Gewinn oder nicht – klar ist, dass die Allgemeinheit für den Gewinn dieser Firmen aufkommt. Diese Kosten werden weiter steigen, weil sich immer mehr Angehörige anstellen lassen.