Die Ungewissheit ist gross und wird bleiben. Das ist eine der zentralen Botschaften im «World Economic Outlook» des Internationalen Währungsfonds (IWF): Die USA überziehen die Welt mit Zöllen. In Europa tobt ein Krieg, globale Institutionen sind geschwächt, die Geburtenraten sinken, und die Künstliche Intelligenz verändert Wirtschaft und Gesellschaft rasant.
Trotzdem – und das ist die zweite wichtige Erkenntnis – hält sich die Weltwirtschaft erstaunlich gut. Der IWF rechnet für dieses und nächstes Jahr mit einem Wachstum von rund drei Prozent. Die globale Wirtschaft ist stabil, aber ohne Schwung.
Kein «Auge um Auge»
Zu verdanken ist das vor allem der Anpassungsfähigkeit vieler Unternehmen: Sie reagierten rasch auf die neuen Zölle, exportierten noch vor deren Inkrafttreten grosse Mengen in die USA und passten ihre Lieferketten an.
Aber auch die Politik milderte den Schock: Zwar sind die US-Zölle so hoch wie seit den 1940er-Jahren Jahren nicht mehr, doch dank neuen Handelsabkommen ist das Niveau insgesamt leicht gesunken. Die meisten Länder verzichteten auf Gegenzölle – ein «Auge um Auge» blieb aus.
Gefahren bleiben gross
Ist also alles halb so schlimm? Nein, warnt der IWF. Die Herausforderungen seien enorm, die Risiken erheblich. Der eigentliche Test komme erst noch. Die Zölle könnten die Inflation in den USA wieder anheizen. Müsste die Notenbank dagegenhalten und die Zinsen erhöhen, würde das das Wachstum dämpfen.
Zudem könnten chinesische Produkte, die nicht mehr in die USA gelangen, andere Märkte überschwemmen – und dort neue Handelskonflikte auslösen. Der Protektionismus dürfte zunehmen.
Auch die Schulden vieler Staaten bereiten dem IWF Sorge. Steigende Zinsen engen die Spielräume ein, immer mehr Geld fliesst in Zinszahlungen statt in Investitionen. In China wankt das exportgetriebene Wachstumsmodell, und der KI-Boom an der Börse könnte sich als nicht nachhaltig erweisen.
Wichtig: unabhängige Notenbanken
Was also ist zu tun? Vieles klingt vertraut: Staaten sollen ihre Finanzen in Ordnung bringen und für ein berechenbares Investitionsklima sorgen. Der IWF betont dieses Jahr die Unabhängigkeit der Notenbanken – wohl eine indirekte Mahnung an Donald Trump, der immer wieder versucht, Einfluss auf die Geldpolitik zu nehmen.
Auch empfiehlt der IWF den Staaten, ihre Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen einigermassen ins Lot zu bringen – auch um weitere Zollkonflikte zu verhindern. Allerdings setzten die Ökonomen nicht auf Protektionismus, sondern auf andere Instrumente.
China soll selbst mehr konsumieren
China soll dafür sorgen, dass seine Bürgerinnen und Bürger weniger sparen und dafür selbst mehr konsumieren. Für die USA gilt das Gegenteil: Hier sollen die Menschen weniger konsumieren und dafür mehr sparen. Und die Regierung soll weniger Schulden machen, um zu einer ausgeglicheneren Handelsbilanz zu kommen.
Und schliesslich: Statt neue Handelshürden zu errichten, sollten Länder sie abbauen – etwa innerhalb Afrikas oder auch im europäischen Binnenmarkt, wo noch viel ungenutztes Potenzial schlummert. Dieses Potenzial zu nutzen, sei wichtig, so der IWF.