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Digital Microsoft und Nokia scheitern: Wie konnte das passieren?

Microsoft verkauft die Nokia-Handy-Sparte und streicht in Finnland weitere Stellen. Zwei Giganten der Branche sind damit am Traum vom eigenen Smartphone gescheitert – auch wenn Microsoft die Lumia-Handys noch nicht aufgibt und eine Chance im Grosskunden-Geschäft sieht.

Es sollte für beide Firmen ein Befreiungsschlag werden: Im Februar 2011 verkündete Microsoft CEO Steve Ballmer zusammen mit Nokia CEO Stephen Elop eine Kooperation zwischen den beiden Firmen.

Amerikanisch-finnische Aufholjagd

Beide Konzerne wollten so Verpasstes nachholen. Steve Ballmer erhoffte sich, über die beliebte finnische Marke Nokia mit seinen Windows-Phone im Markt endlich Fuss zu fassen. Und Stephen Elop sah in der Zusammenarbeit mit Microsoft eine Chance, die seit der Lancierung des iPhones im Juni 2007 verlorenen Marktanteile für Nokia zurückzugewinnen.

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Zweieinhalb Jahre später, im September 2013, intensivierte Microsoft die Kooperation und kaufte die Handy-Sparte von Nokia für insgesamt 9.5 Milliarden Dollar.

Drei sind einer zu viel

Doch der Plan ging nicht auf. Im Juli 2014 gab der neue Microsoft CEO Satya Nadella bekannt, dass sein Unternehmen 12'500 ehemalige Nokia-Angestellte entlässt. Ein Jahr später strich er nochmals 7'800 Stellen in Finnland und schrieb 7.6 Milliarden Dollar ab. Nun wurden weitere 1'300 Mitarbeiter entlassen. Der Grund: Innerhalb eines Jahres ging Microsofts Marktanteil um mehr als die Hälfte zurück, von 2,6 Prozent im ersten Quartal 2015 auf weniger als 1 Prozent.

Auf dem Smartphone-Markt blieb Microsoft mit seinen Windows Mobile Geräten bis anhin erfolglos. Mit der Qualität der Geräte hat das nichts zu tun: Die Lumia-Hardware gehört zum Besten und das Betriebssystem Windows Mobile bekam gute Kritiken. Eine kleine, überzeugte Fan-Gemeinde hält ihm die Treue.

Doch der Smartphone-Markt wird von Apple und Google dominiert. Und Geld mit den tragbaren Geräten verdient nur Apple. Google entwickelt und wartet zwar das Betriebssystem Android, stellt dieses aber den Hardwareherstellern wie Samsung oder HTC gratis zur Verfügung. Die liefern sich seit Jahren einen unerbittlichen Konkurrenzkampf, vor allem über den Preis. Was die Margen immer weiter sinken lässt.

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Für die meisten Kunden zählt nicht nur die Qualität der Geräte, sondern auch das Angebot des App-Stores. Und da ist Microsoft deutlich im Nachteil. Weil seine Geräte kaum Verbreitung finden, scheuen die App-Entwickler den Aufwand und konzentrieren sich stattdessen auf die iPhone- und Android-Versionen. Und das obwohl Microsoft auch hier viel Geld investiert und die Entwicklung einer Windows-Phone-Version populärer Apps aus dem eigenen Sack bezahlt hat.

Es muss Microsoft schmerzen, einen Markt nicht mehr mit der eigenen Plattform zu dominieren. Und es ist auch das erste Mal, dass es dem Giganten nicht mehr gelang, in einem zunächst verschlafenen Zukunftsmarkt irgendwie doch noch die Kurve zu kriegen.

Auch Facebook, Google und Amazon scheitern

Schwacher Trost für Microsoft: Die Softwareschmiede ist nicht der einzige IT-Konzern, der von der eigenen Smartphone-Fabrik träumte und scheiterte. Im August 2011 kaufte Google den Handy-Hersteller Motorola für 12,5 Milliarden Dollar. Bloss zwei Jahre später verkaufte der Suchmaschinenbetreiber die Neuerwerbung weiter an den chinesischen Hersteller Lenovo; für nur noch 2,9 Milliarden Dolllar.

Mark Zuckerberg umgeben von HTC CEO Peter Chou und AT&T CEO Ralph de le Vega.
Legende: Stolze Präsentation: Mark Zuckerberg zeigt das erste Facebook-Phone. Links im Bild HTC CEO Peter Chou, rechts: AT&T CEO Ralph de le Vega. Reuters

Ein weiteres Beispiel: 2013 präsentierte Mark Zuckerberg mit glänzenden Augen sein Facebook-Smartphone, das er zusammen mit dem taiwanesischen Hersteller HTC entwickelt hatte. Das Gerät entpuppte sich als Reinfall: In weniger als einem Monat musste der Netzwerkbetreiber AT&T den Preis für das Gerät von 100 Dollar auf symbolische 99 Cents senken.

Auch Amazon CEO Jeff Bezos konnte es nicht lassen. Er war überzeugt, dass die grösste Online-Shopping-Mall der Welt mit einem eigenen Smartphone noch mehr Umsatz generieren könnte. Im Juni 2014 brachte Amazon sein Fire-Phone auf den Markt, das ebenfalls auf Android basierte. Das Gerät erntete vernichtende Kritik: Das Online-Magazin Techradar meinte, es handle sich um ein Shopping-Werkzeug, das noch über ein paar Eigenschaften eines Telefons verfüge. Auch in diesem Falle sah sich AT&T dazu gezwungen, den Preis zu senken, von 200 Dollar auf 99 Cents.

Alle diese Versuche scheiterten aus den gleichen Gründen: Der Smartphone-Zug war bereits in voller Fahrt. Die Nachzügler konnten nicht mehr aufspringen. Ein Gerät mit eng integrierter Hard- und Software, das sich millionenfach produzieren lässt, entwickelt man nicht über Nacht.

Portrait von Amazon CEO Jeff Bezos, der sein Smartphone zeigt.
Legende: Noch ein Smartphone: Amazon CEO Jeff Bezos präsentiert 2014 «Fire», ein Android basiertes Gerät. Reuters

Ausserdem ist der App-Store entscheidend: Je mehr Apps Kunden von einem Hersteller gekauft haben, desto schwerer fällt ihnen ein Wechsel. Und für die Entwickler bedeutet ein weiterer App-Store einen hohen Zusatzaufwand, der sich nur mit hohem Martanteil rechtfertigen liesse. Aus diesem Teufelskreis auszubrechen hat sich als zu schwierig herausgestellt.

Apps sollen es richten

Der Ausflug in die Welt der Smartphones hat Facebook und Amazon Bescheidenheit gelehrt: Statt auf ein eigenes Smartphone setzen sie nun auf Apps. Das ist jetzt auch die Strategie von Microsoft. Seit Satya Nadella vor zwei Jahren die Führung übernommen hat, stellt die Software-Schmiede Produkte wie die Office-Palette auch als App für iPhone und Android-Geräte zur Verfügung.

Microsoft gab letzte Woche bekannt, dass der Konzern die aus Nokia hervorgegangene Handy-Sparte (also die sogenannten «Feature Phones») für 350 Millionen Dollar an die Foxconn-Tochter FIH Mobile und die neu gegründete finnische Firma HMD Global verkaufte. Letztere hat sich auch die Rechte am Markennamen Nokia gesichert und darf diesen wärend zehn Jahren für Smartphones und Tablets verwenden.

Auch Microsoft will die Version für mobile Geräte von Windows 10 auf keinen Fall ganz aufgeben, wie Nadella und Terry Myerson, Chef der Sparte «Windows and Devices», in einem Schreiben an die Mitarbeiter beteuern. Die beiden sehen eine Chance in einem Smartphone-Angebot für Grossfirmen, für die Sicherheit zentral ist und die Software und Betriebssystem über alle Geräte hinweg verwalten wollen.

Schon seit längerem zirkulieren Gerüchte, dass Microsoft an einem Surface-Phone arbeitet. Doch auch wenn die Redmonder dieses Gerät herausgeben sollten, so ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass das Softwarehaus zu einem einflussreichen Player auf dem heissumkämpften Smartphone-Markt wird. Auch wenn Microsoft das noch nicht offiziell zugibt: Die Pläne für eine eigene Smartphone-Plattform sind gescheitert.

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