Die Bilder waren dramatisch: Bäume ohne Nadeln, ganze kahl gefegte Waldflächen. In der ersten Hälfte der 1980er-Jahre grassierte das sogenannte Waldsterben in Deutschland und erfasste auch die Schweiz. Die Hauptursache war damals klar: Luftverschmutzung durch Industrie und Verkehr: der saure Regen.
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                Bild 1 von 3. Bundespräsident Alphons Egli (l.), Kantonsoberförster August Studer (mitte) und der aargauische Regierungsrat Kurt Lareida (r.), machen sich am 30. August 1983 im Zofinger Staatswald ein Bild vom Ausmass der Erkrankung unserer Wälder. Bildquelle: Keystone/Str.
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                Bild 2 von 3. Eine Menschenmenge verabschiedet am 5. Mai 1984 an einer Demonstration auf dem Bundesplatz in Bern eine Resolution, in der Bundesrat und Parlament aufgefordert werden, «wirksame Sofortmassnahmen» gegen das Waldsterben zu ergreifen. Bildquelle: Keystone/Str.
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                Bild 3 von 3. An diesem Baumstrunk ist die Rotfäule, eine Infektion der Wurzeln der Rottannen, erkenntlich. Aufnahme um 1985. Bildquelle: Keystone/Str.
Die Schweiz reagierte: In Bern wurde eine Sondersession zum Waldsterben einberufen. Zuvor haben vor dem Bundeshaus 20’000 Menschen demonstriert. Forstwissenschaftler Ernst Krebs forderte politischen Druck von der breiten Basis. Im Parlament gab es durchaus Widerstand: Der frühere SVP-Nationalrat Adolf Ogi sprach beispielsweise von einer «Hexenjagd auf Autos und Industrie».
Erfolge und die neue Gefahr
Der damalige Bundesrat Alphons Egli setzte 1985 ein 80-Massnahmen-Paket zur Verbesserung der Luftqualität durch. Massnahmen, wie Katalysatoren, der Entzug von Schwefel aus Treibstoffen und Rauchgaswaschanlagen, waren äusserst erfolgreich.
Doch die Entwarnung war verfrüht. Heute, 40 Jahre später, stehen die Wälder vor neuen, akuten Bedrohungen. Die Folgen der Klimakrise – längere und heissere Sommer – schwächen die Bäume und machen sie anfällig für Schädlinge. Im Aargauer Limmattal überwachen Förster wie Peter Waldner vom Bundesamt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) die Situation an speziellen Messstellen.
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                Bild 1 von 1. Förster Peter Waldner kletterte auf den Baum, um im oberen Drittel Tannenäste herauszuholen. Die Baumqualität wird mittels dieser Äste überprüft. Bildquelle: SRF/Alex Moser.
Die Messarbeit von ICP Forests
Die Arbeit von Waldner ist Teil des internationalen Programms ICP Forests (International Co-operative Programme on Assessment and Monitoring of Air Pollution Effects on Forests). Diese Organisation wurde vor 40 Jahren aufgrund der Luftverschmutzung gegründet und überwacht heute europaweit an tausenden Stellen den Zustand von Wäldern, Luft und Böden.
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                Bild 1 von 6. Bei den Messungen wird auch der Nährstoffgehalt der Bäume gemessen. So können Veränderungen und deren Ursachen besser erkannt werden. Bildquelle: SRF/Alex Moser.
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                Bild 2 von 6. Im Streusammler wird gemessen, wie viele Blätter und Nadeln auf den Boden fallen. Hier handelt es sich um einen Teil des Stoffkreislaufs, der wieder in den Boden zurück geht. Bildquelle: SRF/Alex Moser.
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                Bild 3 von 6. Mit einer Wetterstation wird das ganze Klima und der Wasserkreislauf gemessen. Dazu wird auf das Bodenwasser geprüft. Dabei wird geschaut, wieviel Wasser die Bäume aus dem Boden ziehen können. Bildquelle: SRF/Alex Moser.
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                Bild 4 von 6. Das älteste Naturwaldreservat im Kanton Aargau ist das Naturwaldreservat Lägern, das im Jahr 1998 eingerichtet wurde. Es befindet sich am westlichsten Ausläufer des Faltenjuras und erstreckt sich von Baden bis zur Kantonsgrenze zu Zürich. Bildquelle: SRF/Alex Moser.
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                Bild 5 von 6. Durch eine frühe Umstellung auf Naturverjüngung und die Förderung mehrerer Baumarten ist der Schweizer Wald vergleichsweise robuster. Bildquelle: SRF/Alex Moser.
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                Bild 6 von 6. Tafeln im Naturwaldreservat informieren über die Arbeit der Forschenden. Bildquelle: SRF/Alex Moser.
So werden beispielsweise Astproben von Bäumen entnommen. Dabei wird dann der Ernährungszustand analysiert. Wichtige Mineralien wie Kalium, Magnesium, Kalzium Phosphor und Stickstoff werden ermittelt. Die Forscherinnen und Forscher nehmen jedoch auch Boden- und Luftproben, um die Belastung durch Schadstoffe zu überwachen.
Das ungelöste Stickstoff-Problem
Obwohl sich die Luftqualität in den meisten Bereichen verbessert hat, gilt die Belastung durch Stickstoff weiterhin als ungelöst. Der Stickstoff, der grösstenteils aus der Landwirtschaft stammt, ist für die Wälder schädlich, wenn er kritische Werte überschreitet.
Fachleute sind sich einig: Es gibt heute zwar bessere Kenntnisse über die Ursachen des Baumsterbens, doch der Zustand des Waldes ist insgesamt fast schlechter als in den 1980er-Jahren. Besonders in weiten Teilen Deutschlands und Tschechiens hat das grossflächige Absterben von Bäumen – etwa durch Borkenkäfer in Folge langer Sommer – zugenommen.
Die robuste Schweizer Waldstruktur
Für die Schweiz gibt es jedoch einen Lichtblick: Durch eine frühe Umstellung auf Naturverjüngung und die Förderung mehrerer Baumarten ist der Schweizer Wald vergleichsweise robuster.
Das Wissen, das durch die 40-jährige Langzeitbeobachtung von ICP Forests gewonnen wird, ist entscheidend. Es erlaubt den Forschenden heute, Verschlechterungen zu erkennen und zwischen normalen Schwankungen und ausserordentlichen Ereignissen zu unterscheiden. Dieses Verständnis ist die Grundlage, um den Wald für die Zukunft zu schützen.