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«Die Stille um Maja Abramowna» von Margarita Chemlin

Maja Abramowna, eine einfache sowjetische Frau, möchte nicht mehr als ein gutes Leben: Kinder mag sie, noch lieber mag sie «das Gefühl», sie sehnt sich nach materieller Sicherheit und Bewunderung. Doch ein grosser Stolperstein liegt auf ihrem Weg. Ihre Nationalität: jüdisch.

Die junge hübsche Maja aus dem ukrainischen Städtchen Ostjor hat Krieg und Holocaust überlebt und «mehr gesehen, als gut tut». Doch auch nach dem Krieg ist sie in der Sowjetunion der 1940er-70er Jahre nicht sicher. Zu ausgeprägt ist der Antisemitismus im Land während und nach Stalin.

Margarita Chemlin lässt ihre Ich-Erzählerin in einer Art monologischer Beichte von ihrem ununterbrochenen Kampf um materiellen Aufstieg und ein besseres Leben erzählen, bei dem «das Jüdische» das grösste Hemmnis zu sein scheint, das es auszumerzen gilt. Ihrem Sohn verbietet sie die jiddische Sprache, die dieser mit der Grossmutter spricht. Ein neuer Ehemann verhilft zu einem ukrainischen Nachnamen; die jüdische Verwandtschaft wird vernachlässigt. Majas Unrast ist nicht unbegründet, wie die eingeflochtenen Beschreibungen jüdischer Schicksale erinnern.

Bei alledem ist Maja Abramowna aber ein recht egoistischer, ja: hartherziger Mensch, - so berechnend und bemüht nur um ihr ganz persönliches Glück, dass sich nach und nach alle Menschen und Familienmitglieder von ihr zurückziehen. Ihre subjektiv beschränkte Perspektive auf das Geschehene sorgt für eine wachhaltende Distanz: Banalität und tiefe Wahrheit, groteske Komik und namenloser Schrecken stehen hier hart nebeneinander.

Mit: Gisela Schneeberger

Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja - Bearbeitung und Regie: Andrea Getto - Produktion: RBB 2014 - Dauer: 54'

Margarita Chemlin, russische Journalistin und PR-Managerin, wurde 1960 in Tschernigow (heute Ukraine) geboren; studierte am Gorki-Literaturinstitut in Moskau und arbeitete als Theaterkritikerin. Sie debütierte 2008 mit Erzählungen. Ihr erster Roman «Die Stille um Maja Abramowna» erschien 2012 auf Deutsch.

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