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Rückforderungsbetrug: anstatt Hilfe noch mehr Geld weg
Aus Kassensturz vom 02.04.2024.
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Rückforderungsbetrug Wenn Online-Betrüger ein zweites Mal abzocken

Cyberkriminelle geben sich als Helfer aus und zocken einen Mann, der bereits 100'000 Franken verloren hat, nochmals ab.

Ein Ingenieur steht kurz vor der Pensionierung und kommt nach dem Gespräch mit einem Berater seiner Hausbank besorgt nach Hause: «Es hiess: Mit unserem Budget müssten wir in sieben Jahren unser Haus verkaufen. Da kam bei mir Panik auf.»

In dieser Panik trifft er eine falsche Entscheidung nach der anderen. Er will unbedingt mehr Geld verdienen und stösst dabei auf Inserate für angeblich lukrative Investments.

Eine Brokerin soll den Laien unterstützen

Hinter dem Online-Inserat, auf das er sich meldet, steht eine Plattform namens Investmarkets. Sie preist sich als eine der weltweit führenden CFD-Handelsplattformen an, mit der man auf globalen Märkten handeln kann. CFDs, das sind hochriskante Finanzwetten. Diese sind in der Schweiz legal, in umliegenden Ländern für Privatpersonen eingeschränkt oder verboten.

Der Mann, ein Laie, meldet sich an und erhält eine Frau zur Seite gestellt, die sich als Brokerin ausgibt. Sie soll ihm helfen, grosse Gewinne einzufahren. Sie überredet ihn, immer wieder grosse Summen zu investieren.

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Betrugsopfer: «Irgendwann will man, dass es stimmt.»
Aus Kassensturz vom 02.04.2024.
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«Dieses Vorgehen ist leider sehr häufig», sagt auch David Zogg, leitender Staatsanwalt für Wirtschaftskriminalität im Kanton Zürich. «Wenn jemand fürchtet, Geld verloren zu haben, klammert er sich an die Hoffnung, dass etwas hinter diesem Anruf sein könnte. Genau dort hängen die Anrufer ein, um den Geschädigten ein weiteres Mal Geld aus der Tasche zu ziehen.»

Tipps von Staatsanwalt David Zogg

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  • Bei Inseraten im Internet sollten Alarmglocken immer eingeschaltet sein. Investmentmöglichkeiten sollte man nicht über Bannerwerbung aussuchen.
  • Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl: Wenn Sie kein gutes Gefühl haben, lassen Sie sich nicht überreden.
  • Wenn Sie unsicher sind, prüfen Sie Warnlisten der Finanzmarktaufsicht und der Kantonspolizeien.
  • Stellen Sie sicher, dass Sie verstehen, wohin das Geld überwiesen wird, was damit passiert und wie Sie es zurückfordern können. Wenn Sie das alles nicht verstehen: Hände weg.
  • Wenn Sie investiert haben und herausfinden, da stimmt etwas nicht: Reagieren Sie schnell. Rufen Sie bei der Bank an, stoppen Sie Zahlungen, erstatten Sie Anzeige bei der Polizei. So stellen Sie sicher, dass die Information weitergeht. So kann man mindestens verhindern, dass mehr Leute geschädigt werden.

«Zeitweise rief sie bis zu viermal am Tag an», erinnert sich der Mann. «Die wirtschaftliche Lage sei gut, es wäre optimal zu investieren. Plötzlich hat es mich gepackt.» Auf dem Bildschirm seien ihm sehr gute Zahlen präsentiert worden: «Das Problem ist nur, als ich von diesem Gewinn Geld abziehen wollte, klemmten sie.»

Staatsanwaltschaft lehnt Anzeige ab

Doch die guten Zahlen bleiben nicht lange. Plötzlich rutschen sie ins Minus, er verliert und verliert. Seine Frau verzweifelt fast. Sie beobachtet, wie er es mit der Angst zu tun bekommt und immer mehr Geld einbezahlt, um nicht alles zu verlieren. Sie schafft es jedoch nicht mehr, mit Worten zu ihrem Mann durchzudringen: «Er kam mir vor, als sei er hypnotisiert worden», erinnert sie sich.

«Ich machte mir grosse Sorgen, habe auch schon das Telefon aufgelegt, als er mit der Brokerin am Draht war.» Auch die Bankerin warnt ihn, das sei Betrug. Die Broker rufen jedoch immer wieder an. Die Frau ist hilflos: «Ich sass in der Stube und habe geweint.»

Stellungnahme Arvis Capital Ltd

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Arvis Capital Ltd mit Sitz in Belize, die Firma hinter der Plattform Investmarkets, schreibt: «Investmarkets weist bei der Kontoeröffnung ausdrücklich auf die Risiken von CFDs hin und warnt, dass die Produkte möglicherweise nicht für alle Anleger geeignet sind.»

Als er es endlich schafft, die Reissleine zu ziehen, sind 119'691 Franken weg: «Ich schäme mich, es ist so peinlich. Für mich ist unverständlich, wie sie mich dermassen hereinlegen konnten.»

Verzweifelt über seinen grossen Verlust will sich der Ingenieur Hilfe holen. Er erstattet Anzeige bei der Kantonspolizei Aargau. Doch er hat keinen Erfolg: Die Staatsanwaltschaft prüft die Anzeige und lehnt sie schliesslich ab. Das ist ein Schock für ihn.

Die Staatsanwaltschaft Aargau schreibt dazu:

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«Mit der aktuellen Gesetzeslage konnte kein hinreichender Anfangsverdacht abgeleitet werden, dass es sich bei der Firma um eine betrügerische Gesellschaft handelt, die ihre Kunden von vornherein durch arglistige Täuschungen zu schädigenden Zahlungen bewegen will.»

Die Kantonspolizei Zürich führt zwar eine Warnliste mit verdächtigen Anlage- und Tradingplattformen – als der Mann die Verfügung erhält, steht Investmarkets bereits darauf. Doch davon erfährt er zu spät.

Angebliche «Konsumentenschutzorganisation» verspricht Hilfe

Der Ingenieur fühlt sich alleingelassen. Dann rufen ihn Mitarbeiter einer Organisation namens «Rec Agency» an – eine angebliche Kon­sumen­ten­schutz­organi­sation. Sie versprechen Hilfe. Der Ingenieur ist erleichtert.

«Sie sagten, ich sei ja betrogen worden, sie hätten die Betrüger gefasst und Geld beschlagnahmt. Mit meinem Geld hätten diese mit Bitcoins gehandelt und dabei viel Geld verdient. Meine 120'000 Franken hätten sich vermehrt, jetzt seien es 250'000.» Er habe Anrecht auf dieses Geld, doch zuerst fordern sie Geld für Steuern, Schreibgebühren und vieles mehr.

Am Anfang dachte ich, cool, da hilft dir jemand.
Autor: Betrugsopfer

Die perfide Masche: Statt dem Mann zu helfen, zocken sie ihn ein zweites Mal ab. Doch das ist ihm zunächst nicht bewusst. Er zahlt nochmals über 100'000 Franken ein. Der Ingenieur ist kein Einzelfall: Verschiedene Organisationen nehmen Geschädigte mit sogenannten «Recovery Scams», Rückgewinnungs-Betrügen, ein zweites Mal aus.

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«Das sind internationale Konzerne mit einer Marketingabteilung, einem Vertrieb und einer Geldwäscheabteilung, wo das Geld durchgeschleust wird», sagt David Zogg, leitender Staatsanwalt für Wirtschaftskriminalität im Kanton Zürich.

Die Täter seien meist in einem anderen Land, damit es schwieriger ist, sie zu verfolgen. «Es sind oft Rückkehrer, gut ausgebildete Leute, die die Sprache vom Zielpublikum reden. Sie operieren aus Osteuropa, im Balkan, der Türkei und im arabischen Raum.»

Originalaufnahmen belegen die Masche

Dreiste Gauner täuschen vor, für seriöse Institutionen zu arbeiten, die in diesem Fall einer Frau helfen wollen, die ebenfalls über hunderttausend Franken verloren hat. «Kassensturz» wurden folgende Aufnahmen eines solchen Gespräches zugespielt:

«Wir sind von der ‹Anti Money Laundering›, das ist ‹Anti Geldwäsche›», sagt der Mann am Telefon. «Wir haben den Auftrag bekommen von der ‹Financial Conduct Authority›, die uns auf diesen Betrug hingewiesen haben. Unser Ziel ist, dass die Kunden das Geld wieder zurückbekommen, das ihnen gehört.»

«Kassensturz» ist an Ihrer Meinung interessiert

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Der Anrufer wirbt mit einer hohen Erfolgsrate. «80 Prozent der Kunden sind zufrieden mit unserer Leistung!» Dann will er Geld: «Wann könnten Sie die Auszahlung starten und 9 % Quellensteuer übernehmen?»

Eine Viertelmillion Franken verloren

So läuft auch das Gespräch mit dem Ingenieur ab. Er sagt, er habe die Anrufer gebeten, allfällige Gebühren und Steuern doch bitte direkt von seinem Geld abzuziehen, das sie gefunden haben. Das gehe nicht, antworten die Betrüger. Das sei sein Konto und sie hätten keinen Zugriff darauf. «Irgendwann hat man so viel Geld verloren, dann will man, dass es stimmt», erinnert sich der Mann. Die Firma «Rec Agency» hat auf die Fragen von «Kassensturz» nicht geantwortet.

Er überweist wieder Geld, angeblich für Steuern und andere Gebühren. Dieses Mal sind es 103'836 Franken. Insgesamt verlor er so fast eine Viertelmillion.

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David Zogg, Staatsanwalt für Wirtschaftskriminalität, im Studiogespräch
Aus Kassensturz vom 02.04.2024.
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Kassensturz, 02.04.24, 21:05 Uhr

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