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Kopfball im Fussball – weniger schlimm als man denkt

Freispruch für Kopfballspiel? Die meisten Gehirnerschütterungen im Fussball haben jedenfalls nicht den Ball als Ursache. Vielmehr sind es Aufprälle des Kopfes auf Körperteile oder auch den Boden.

In den USA wurde auf Klage von Fussballkinder-Müttern das Kopfballspiel für Kinder bis elf Jahre auf diese Saison verboten. Angst vor Gehirnerschütterungen bei den noch wenig entwickelten Kinderhirnen war der Antrieb der Mütter – aufgeschreckt durch Fälle von Hirnerkrankungen von Sportlern, verursacht offenbar durch Gehirnerschütterungen bei der Ausübung des Sports.

Betroffen waren aber andere Sportarten, American Football oder Eishockey. «Im Fussball gibt es keine verlässlichen Studien, die auf eine Kausalität zwischen Gehirnerschütterungen und späteren Auswirkungen auf Hirnfunktionen und Strukturen hinweisen», sagt Nina Feddermann, Leiterin des Swiss Concussion Center, dem Zentrum für Gehirnerschütterungen.

Keine klare Studienlage

Eine aktuelle, noch nicht veröffentlichte Studie der Universität Zürich und des Swiss Concussion Centers stellt zudem fest, dass diejenigen Studien, die einen Zusammenhang zwischen Kopfbällen und Folgen für das Gehirn herstellen, methodische Fehlerquellen aufweisen. Man könne aufgrund der vorliegenden Studien das Thema nicht abschliessend beurteilen, meint Erst-Autor Alexander Tarnutzer vom Universitätsspital Zürich. Die Studien weisen methodologische Schwächen auf oder basieren auf sehr kleinen Fallzahlen, so dass Rückschlüsse nur bedingt möglich sind.

Was sich zeigt: Der Kopfball als solches ist nur in seltenen Fällen Ursache einer Gehirnerschütterung. Weit häufiger ist es der direkte Körperkontakt mit dem Gegenspieler, Zusammenprälle, Kopf-Schulter, Kopf-Kopf, Kopf-Knie oder Kopf-Boden. Bei Kindern und Jugendlichen wurden während fast 700'000 Spielstunden elf Gehirnerschütterungen festgestellt, davon zwei durch Ball-Kontakt.

Kein Verbot in der Schweiz

Ein Verbot des Kopfballspiels wie in den USA macht für die meisten Experten in der Schweiz aufgrund der Faktenlage wenig Sinn. Beim Schweizerischen Fussballverband SFV verweist man in einer Stellungnahme unter anderem darauf, dass Kopfball in der Ausbildung von Kindern kein Schwerpunktthema sei. Ausserdem verwende man kleinere und leichtere Bälle. Viele Experten denken auch, es könne nur helfen, wenn die Kinder die technischen Grundkenntnisse übers Kopfballspielen lernen.

Keine klaren Regeln

Ganz vermeiden lassen sich Gehirnerschütterungen im Fussball kaum. Darum sei das Wichtigste, meint Nina Feddermann, dass nach einer Gehirnerschütterung eine präzise Diagnosestellung erfolgt, um entsprechende Therapien einleiten zu können und die Spielerinnen und Spieler mit erhöhtem Risiko für einen längeren Verlauf frühzeitig zu identifizieren. Der betroffene Spieler sollte nach einem Stufenplan langsam wieder ans Training herangeführt und dann sukzessive unter ärztlicher Beobachtung aufgebaut werden. «Im Idealfall dauert es sechs Tage, bis ein Spieler nach einer Gehirnerschütterung wieder am Wettkampfsport teilnehmen kann», sagt Feddermann.

Die Schwierigkeit dabei: Jeder Spieler will so schnell wie möglich wieder spielen. Keiner will seinen Platz verlieren. Und auch der Trainer will einen wichtigen Spieler nicht missen. Gerade heute, wo so viel Geld im Spiel ist.

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