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Reisegeschichten Nina Mavis Brunner

Die Reporterin von «Reisegeschichten» über ihr privates Reiseverhalten, persönliche Odysseen und ihre Vermutung, dass Homer eine Frau gewesen sei.

Nina Mavis Brunner

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Seit 10 Jahren arbeitet Nina Mavis Brunner für 3sat. Wenn sie nicht als Reporterin für «Reisegeschichten» unterwegs ist, moderiert sie die Sendung «Kulturplatz» des Schweizer Fernsehens. Zuvor war sie mehrere Jahre Redaktorin und Moderatorin der Sendung «Schweizweit».

Das Private Reiseverhalten

3sat: Individuell oder Package?

Nina Mavis Brunner: Individuell

Reisekoffer oder Reiserucksack?

Hängt vom Ziel respektive vom Weg ab. Hauptsache wenig und leichtes Gepäck

TripAdvisor App oder Reiseführer in Buchform?

Am liebsten reise ich der Nase nach und erkundige mich spontan vor Ort. Wenn ich aber weiss wo es hingehen soll, steigere ich die Vorfreude mittels Hintergrundinfos zu Sitte, Geschichte und Politik - analog wie digital.

Welches war deine bisher eindrücklichste Reise?

Natürlich die erste grosse Tour ganz allein. Ich hatte grad die Matur bestanden und aufs Reisen gespart. Etwas mehr als einen Monat war ich im südlichen Afrika unterwegs. Mit offenem Herzen und beschränktem Budget, begleitet vom wahnsinnigen Gefühl grosser Freiheit aber auch von Momenten der Einsamkeit. Herrlich romantisch. Und wie jedes erste Mal leider nicht zu wiederholen.

Hast du schon persönliche Odysseen erlebt und bist an ganz anderen Orten gelandet, als ursprünglich geplant?

Da ich viel lieber einfach mal los ziehe als voraus zu planen, kommt mir kaum je was in die Quere. Es gab Zeiten, da habe ich das Umherirren geradezu kultiviert. So bin ich beispielsweise zum Flughafen gefahren und fragte nach dem günstigsten «last second»-Ticket. Diese Masche führte mich innerhalb von drei Wochen via Berlin nach Istanbul und Rom und von dort mit dem Zug nach Sizilien. Eine spannende Zufalls-Route. Ökologisch eher schwachsinnig.

Reisen für eine Reisesendung

In «Reisegeschichten» reist du repräsentativ für die 3sat Zuschauer auf den Spuren von Odysseus durchs Mittelmeer. Das klingt nach einem Traumjob.

Dreharbeiten auf Sizilien.
Legende: Dreharbeiten auf Sizilien. SRF

Es ist ein Traumjob. Dennoch ein Job und alles andere als Urlaub. Die Tage beginnen früh und enden meist ziemlich spät. Das Programm ist dicht und natürlich ist vieles nicht voraussehbar. Das macht’s aber auch spannend. Das Team ist ständig in Bewegung und reflektiert. Es gibt nur wenige Momente des Rückzugs und der Ruhe. Eine intensive Zeit, reich an Eindrücken und Gesprächen mit den unterschiedlichsten Menschen. Wir haben in unseren Filmen versucht, dem Zufall Raum zu lassen, was bei allen Beteiligten eine gehörige Portion Geduld voraussetzt. Ich meine, es hat sich gelohnt.

Odysseus wusste nicht, welche Abenteuer bevorstanden. Die Odyssee war eine Irrfahrt. Blieb dir Zeit umherzuirren und Orte spontan zu entdecken?

Privat nebenher absolut nicht. Da ich aber absichtlich keine Vorgespräche mit den einzelnen Protagonisten geführt hatte und die jeweiligen Drehorte oft nicht mal erahnen konnte, spiegelt sich die Spontaneität in unseren Filmen. Zumindest hoffe ich das.

Gute Vorbereitung ist zentral, gerade wenn es im Resultat auch mal leichtfüssig daher kommen soll.
Autor: Nina Mavis Brunner Reporterin

Was sind für dich persönlich «Reisegeschichten»?

Der Versuch, trotz Filmteam möglichst authentisch unterwegs zu sein, um etwas näher an Menschen heran zu kommen als in anderen Reiseformaten. Man könnte noch etwas radikaler und spontaner vorgehen, aber die Fallhöhe ist gross. Man soll ja nicht einer Privatperson beim Reisen zusehen sondern möglichst viel über Land und Leute erfahren. Gute Vorbereitung ist zentral, gerade wenn es im Resultat auch mal leichtfüssig daher kommen soll.

Homers Odyssee

Mal ganz ehrlich, wie viele Abenteuer der Odyssee hättest du vor einem Jahr aufzählen und lokalisieren können?

Da war was mit einem «Einäuger», mit Sirenen, Riesen, irgendwelchen Liebhaberinnen und einer wartenden Penelope. Lokalisieren? Ich wär nicht mal auf die Idee gekommen, nach geografischer Wirklichkeit zu suchen. Männer...

Lokalisieren? Ich wär nicht mal auf die Idee gekommen, nach geografischer Wirklichkeit zu suchen. Männer...
Autor: Nina Mavis Brunner Reporterin

Welche Bedeutung hat diese alte Geschichte heute noch?

Die Odyssee deckt die grundlegenden menschlichen Lebensthemen ab: Liebe, Freundschaft, Heimat, Eifersucht, Glück oder Tod. Sie beschreibt das ganze Hin und Her, die Zweifel, das Scheitern, Gewinnen und Lernen während unserer doch sehr beschränkten Existenz. Jeder Mensch versteht die archetypischen Bilder der Odyssee. Ob in der türkischen Hafenstadt, in einer Höhle im tunesischen Hinterland oder in einer maltesischen Dorfbar. Zu den unterschiedlichsten Biographien lassen sich Bezüge zu Homers Epos herstellen.

Im Gespräch mit Historiker Armin Wolf
Legende: Im Gespräch mit Historiker Armin Wolf. SRF

Apropos Archetyp: Ich habe drei unterschiedliche Versionen gelesen und musste bei allen ziemlich oft schmunzeln. Inzwischen verfechte ich leidenschaftlich die Theorie, Homer sei eine Frau gewesen. Männer und das Männliche werden gnadenlos ironisch beschrieben. Umso lustiger war’s für mich, als mir auf der Drehreise des Öftern Männer die Welt erklärten. Oder erklären wollten.

Inzwischen verfechte ich leidenschaftlich die Theorie, Homer sei eine Frau gewesen.
Autor: Nina Mavis Brunner Reporterin

Die Menschen stehen bei «Reisegeschichten» im Zentrum

Welche Begegnung wird dir unvergesslich sein?

Wenn es nur eine gäbe... Das Bild des charismatischen älteren Herrn, der mit getrockneten Feigen und Datteln vor einem leeren Kiosk in Matmatah sitzt, hat sich definitiv in mein Gedächtnis gebrannt. Er wartete mitten in der tunesischen Steinwüste bei 40 Grad vergeblich auf Touristen.

Der Dattelverkäufer von Matmata
Legende: Der Dattelverkäufer von Matmata Eine unvergessliche Begegnung. SRF

Mit dem Verkauf seiner Dörrfrüchte versucht der über 80-Jährige, das Familienbudget aufzubessern. Doch seit der Revolution und der darauffolgenden Anschläge kommen kaum mehr Besucher in sein Dorf. Unser junger Übersetzer, ein glühender Verfechter der Revolution, meinte, es schmerze ihn, wenn er sehe, dass jemand in Folge der politischen Veränderungen leiden müsse. Doch der alte Mann beruhigte ihn mit einem sanften Lächeln. Er habe schon vieles erlebt: die Franzosen, Ben Ali und dessen Vorgänger. Auch wenn er es derzeit schwer habe, so stehe er dennoch auf der Seite des Fortschritts. Diese kurze Begegnung hat mich sehr berührt.

Wie nahe gehen dir einzelne Begegnungen?

Wie im echten Leben – mal mehr, mal weniger nah.

Die Orte

Odysseus brauchte zehn Jahre für die Strecke von Troja nach Ithaka. «Reisegeschichten» schafft es in 6x 50 Minuten. Wo wärst du gerne länger geblieben?

Ich hätte gerne eine Nacht in dieser Höhlenwohnung in der tunesischen Steinwüste verbracht. Der Blick vom Wohnzimmer auf den Sternenhimmel muss einmalig sein.

Die Flüchtlingsströme und tödlichen Unglücke im Mittelmeer sind eine traurige Tatsache. Was ging in dir vor, als du von Nordafrika zuerst nach Malta flogst und danach mit dem Passagier-Schiff von Malta nach Sizilien weiter reisen konntest?

Jeder Mittelmeer-Reisende muss mit diesem zwiespältigen Gefühl einen Umgang finden. Bei uns kam hinzu, dass wir als Produktionsteam einerseits bequem und sicher voran kamen, andererseits genau diese Tragödien in unseren Filmen thematisieren.

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