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ATP-Tour Zu klein zum Champion: Wie das ATP-Ranking Missstände bekämpfte

Das Ranking der ATP gehört im Tennissport zum Inventar. Das war nicht immer so: damals zuungunsten der «Kleinen» und «Unbeliebten».

Roger Federer fällt nach 14 Jahren aus den Top 10, Andy Murray wird die erste britische Weltnummer 1 überhaupt: Der Wochenstart bringt Erschütterungen monumentalen Ausmasses im ATP-Ranking mit sich.

«Die eine vollkommene Wahrheit. Die Zahl erscheint jeden Montag – pur, objektiv, unpolitisch, ehrlich und unerschütterlich.»

So hatte der ehemalige Tennis-Profi Bill Scanlon einst das Ranking-System der ATP beschrieben. Seit über 40 Jahren ordnet es den professionellen Tennis-Sport. Davor herrschte – böse gesagt – Anarchie: Nationale Verbände erstellten ihre eigenen Listen, die Spieler waren der Gnade amateurhafter Offizieller hilflos ausgeliefert. Zwei Beispiele:

  • Zu klein, ein Champion zu sein: In den 30er-Jahren entschied Perry Jones, Vorsitzender des südkalifornischen Tennisverbandes, sein Schützling Bobby Riggs sei nicht gross genug, um Grand-Slam-Turniere gewinnen zu können. 1939 durfte Riggs erstmals in Wimbledon teilnehmen – und strafte Jones Lügen: Er räumte regelrecht ab und holte die Titel der Einzel-, Doppel- und Mixed-Konkurrenz.
  • Bevorzugte Zuschauer-Magneten: Die Turniere hatten ihre eigenen Lieblinge. Der ehemalige amerikanische Profi Stan Smith bestätigte 2013 gegenüber der ATP: «Es gab damals eine Art ‹Star-System›. Von einigen Spielern wusste man, dass sie die Ticketverkäufe ankurbeln. Sie wurden besseren Spielern oft vorgezogen.»

1973 war es dann so weit: Auf Druck der damaligen Top-Cracks führte die ATP ein Ranking-System ein, welches seither mehrfach überarbeitet worden ist.

Die erste offizielle Weltnummer 1 war der Rumäne Ilie Nastase, ironischerweise ein Kritiker der ersten Stunde. «Jeder hat nun eine Zahl über dem Kopf hängen», klagte der 7-fache Grand-Slam-Sieger kurz nach der Einführung. Die kollegiale Atmosphäre auf der Tour sei dahin.

Qualitätsfördernd und gnadenlos

Die anfängliche Abneigung einiger Akteure dem «kalten Computer» gegenüber wich schnell, heute ist das Ranking gemeinhin akzeptiert und wird als Qualitätsboost interpretiert: Keiner kann sich mehr auf seinen Lorbeeren ausruhen. Federer meinte 2013: «Es bringt unser Spiel vorwärts».

Dem Schweizer bringen die Regeln des Rankings derzeit wenig: Wegen seiner Verletzungspause wird er weit zurückgespült, nach den Australian Open im Januar könnte er gar aus den Top 30 fallen. Ein Adjektiv hatte Scanlon bei seinem Ranking-Beschreib nämlich vergessen: gnadenlos.

Sendebezug: Radio SRF 3, Morgenbulletin, 07.11.2016, 07:00 Uhr

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