Staunässe im Boden ist schlecht – zumindest für Kartoffeln, Rüben oder Weizen. Deswegen sind in der Schweiz 192.000 Hektar Boden drainiert, das heisst sie werden aufwändig entwässert und das Wasser über Rohre abgeführt. Etwa ein Drittel der teils schon 100 Jahre alten Drainagen ist jedoch in schlechtem Zustand. Sie müssten eigentlich erneuert werden. Eigentlich.
Yvonne Fabian, Ökologin am landwirtschaftlichen Forschungszentrum Agroscope in Zürich, hat eine andere Idee. Einige Flächen solle man besser wieder vernässen lassen für den Artenschutz. Denn Feuchtbiotope sind in der Schweiz Mangelware.
Verloren sind die Flächen für die Landwirtschaft damit nicht. Denn es gibt eine Pflanze, die nasse Böden liebt: Nassreis, angebaut ohne Pestizide. «Das wäre für einige Landwirte nördlich der Alpen eine sehr gute Kultur», sagt Fabian. Sie untersucht die Biodiversität auf Schweizer Nassreisfeldern und wie man die Artenvielfalt noch weiter fördern kann.
Kreuzkröten und Ringelnattern kommen wieder
Derzeit bauen in der Schweiz erst 13 Bauernbetriebe auf insgesamt 13 Hektaren Nassreis an. Pro Hektar ernten sie vier bis sieben Tonnen Rohreis, den sie weiterverarbeiten und als heimisches Produkt gewinnbringend verkaufen können. Gleichzeitig schaffen sie mit den feuchten Reisfeldern Lebensraum für Arten, die vom Aussterben bedroht sind – etwa für Kreuzkröten, Ringelnattern oder das schwarz-braune Zyperngras.
«Es ist total beeindruckend, was in einem Nassreisfeld los ist», sagt Fabian. Mit ihrem Team hat sie zunächst den Bestand aufgenommen. Gesichtet haben sie beispielsweise Laubfrösche, die die gesamte Entwicklung – von der Kaulquappe bis zum Jungfrosch – im Feld durchmachen.
Oder die Sumpf-Heidelibelle, die sich in manchen Feldern massenhaft vermehrt. Im Wasser finden sich auch viele Insektenlarven, die wiederum Futterquelle für Vögel sind. Mehlschwalben kreisen regelmässig über dem Feld. Und auch Wattvögel wie Flussuferläufer oder Bekassine machen bei ihrem Zug gen Süden hier Station. Besonders artenreich sind Reisfelder, die von einem Wassergraben und damit von einer offenen Wasserfläche umgeben sind. Libellen und Amphibien paaren sich dort. Hecken und Gräser am Rand dienen Fröschen als Versteck vor Fressfeinden. Und was der Biodiversität ebenfalls dient, ist so wenig Dünger wie möglich einzusetzen.
Über neue Erkenntnisse tauscht sich Yvonne Fabian regelmässig mit den Nassreisbauern und -bäuerinnen aus. Sie haben auch eine Interessengemeinschaft gegründet, die Landwirte und Landwirtinnen berät, die mit dem ökologischen Reisanbau starten wollen.
1000 Hektar Land eignen sich
Potenzial gäbe es, so Fabian. «Wir haben berechnet, dass sich mindestens 1000 Hektar Land sehr gut für den Nassreisanbau eignen würden.» Darunter sind auch Felder deren Drainage-Systeme in die Jahre gekommen sind.
Die meisten liegen in der Nähe von Flachmooren oder Auen und nahe bei einem See oder Fluss, aus dem Wasser fürs Fluten der Felder entnommen werden kann. «Entscheidend ist ein gutes Wassermanagement» sagt Fabian, «und dafür muss man einiges an Vorarbeit leisten.»
Aber dann und bei genügend warmen Temperaturen sei der Reisanbau durchaus rentabel. Bislang haben alle 13 Landwirtschafts-Betriebe, die sich für den Nassreisanbau entschieden haben, nicht wieder aufgegeben. Fabian: «Es ist wirklich eine win-win-Kultur – gut für die Landwirtschaft und gut für den Artenschutz.»