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Technik Auf der Suche nach dem Bit der Zukunft

Immer kleiner, immer effizienter: Speicherzellen und Computer haben sich rasant entwickelt. Doch jetzt wird es eng: Unter zehn Nanometer Grösse sind heutige Schaltungen unbrauchbar. Schon suchen Forscher in der Schweiz nach der Speicherzelle der Zukunft – mit raffinierten Ideen.

Nach dem berühmten Moorschen Gesetz verdoppelt sich die Komplexität der Mikrochips alle 12 bis 24 Monate. Ein Chip arbeitet letztlich mit Transistoren. Ein Transistor funktioniert wie ein Schalter, der die Elektronen fliessen lässt oder nicht. So entsteht entweder ein Zustand «0» oder «1».

Die folgende Animation zeigt, wie diese Zustände im heute häufigsten Transistor, dem sogenannten MOSFET-Transistor, hergestellt werden.

Video
So funktioniert ein Transistor
Aus Einstein vom 24.06.2015.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 13 Sekunden.

Basierend auf dieser Technologie liessen sich bis anhin immer kleinere, immer leistungsfähigere Schaltkreise und Computer entwickeln. Heutige Transistoren sind rund 20 Nanometer klein. In einzelnen Laborversuchen wurden sogar schon Schaltungen im Bereich um 10 Nanometer ausprobiert.

Die Grenzen der Miniaturisierung

Doch damit ist bald Schluss, weil die Physik die Grenzen aufzeigt. Denn in Dimensionen unter zehn Nanometer scheinen die Elektronen auch bei offenem Schalter, also im Zustand «0», vom einen Pol zum anderen zu fliessen. Dadurch gehorchen die Elektronen nicht mehr den herkömmlichen Gesetzen und es wird fast unmöglich, mit klassischen Transistoren und Kondensatoren verlässlich Informationen zu speichern. Experten sprechen dabei von sogenannten Quanteneffekten.

Quanteneffekte verstehen

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Legende: research.unsw.edu.au

Für Interessierte: Zum Problem der Quanteneffekte hat Andrea Morello, Professor für Quantenphysik an der Universität von New South Wales, ein sehr verständliches Webvideo verfasst. Mit seinen Experimenten versucht er sogar, mit diesen ungewohnten Effekten neuartige Schaltungen zu entwickeln.

Das Rennen um die nächste Speicherzelle

Das bedeutet, dass die heutigen Bauteile bald ausgedient haben – es braucht darum neue Ansätze, um das Tempo des Fortschritts zu halten. Dabei richtet sich der Blick vor allem auf den Bereich des Arbeitsspeichers, des sogenannten RAM (Random Access Memory). Dieser Speicherbereich liegt nahe am Prozessor und sorgt dafür, dass Daten effizient, verlässlich und vor allem schnell verarbeitet werden.

Schweizer Forschung ganz vorne dabei

In der Schweiz gibt es gleich mehrere Projekte, die am RAM der Zukunft arbeiten. Am IBM-Labor in Rüschlikon wird an einer Speicherzelle geforscht, die nicht mit elektrischer Ladung arbeitet, sondern mit Magnet-Impulsen: «MRAM» speichert Informationen über die Änderung der Magnetisierung der Speicherzelle. Dadurch kann man ebenfalls Zustände wie «0« und «1» unterscheiden.

Der Vorteil des Verfahrens: Diese «Polung» ist stabil; die Information bleibt auch ohne Energiezufuhr erhalten. Das ist bei heutigen Speichern nicht der Fall; sie sind volatil.

Zudem erforscht IBM einen sogenannten «Wechsel-Phasen-Speicher» (Phase Change Memory) genauer: Dies sind spezielle Materialien, die durch Erhitzen den Zustand von kristallin zu amorph wechseln und speichern – also von «streng geordneten» zu «ungeordneten» Molekülstrukturen. Dadurch ändert sich die Leitfähigkeit – und wieder entsteht eine «0» oder «1».

Kleine Speicherzelle unter dem Mikroskop
Legende: Memristor Eine Wortverbindung aus Memory und Resistor. Eine Speicherzelle mit mehreren Ladungszuständen. SRF

Der «Memristor»

Der vielleicht revolutionärste Ansatz kommt aus der ETH Zürich: Hier nimmt ein junges Team von Materialwissenschaftlern die Eigenschaften eines sogenannten «Memristors» unter die Lupe. Ein Bauteil, das – anders als Transistoren – nicht nur eine einzige elektrische Ladung speichern kann, sondern theoretisch beliebig viele Ladungszustände.

«In einem heutigen Computer muss man alle 64 Millisekunden die Information neu abrufen oder neu beschreiben», sagt Jennifer Rupp, ETH-Professorin und Team-Leiterin der Memristor-Forschung, «in einem Memristor kann man diese Informationen über Jahre festhalten und in Nanosekunden schreiben.» Das sei ein grosser Vorteil.

Bye bye, Binärsystem?

Doch hat man mehrere Ladungszustände, bricht auch das binäre Denken in Einsen und Nullen auf. Welche Konsequenzen hätte das?

Erstes Memristor-Grossprojekt

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Hewlett-Packard arbeitet bereits an einem All-in-one-System, das der Computerkonzern «The Machine» nennt: eine allumfassende Cloud-Lösung, kombiniert mit neuartigen Computern. Darin soll der Memristor Speicher und Arbeitsspeicher zugleich sein. Ein solcher Computer könnte massiv schneller, kleiner und energieeffizienter werden als heutige Systeme.

Laut Rupp könnten wir von den binären Codes der letzten 50 Jahre weg kommen – also weg von «0» und «1». Man hätte plötzlich viele neue Zustände: 0.5, 0.25, 0.125... In der Folge hiesse das: grössere Speicherdichten auf engstem Raum und schnellere Geschwindigkeiten beim Datentransfer.

Muss man deswegen die IT neu erfinden? Zum Teil, sagt Jennifer Rupp: Es gebe schon die ersten Projekte, um langfristig neue Computerarchitekturen zu bauen. Und neue Arten von Logiken, weg von der klassischen binären Computerlogik. Wie genau solche Systeme jenseits von Nullen und Einsen aussehen könnten, weiss aber noch niemand.

Sicher ist, dass herkömmliche Speicherzellen schon bald an ihre physikalischen Grenzen stossen. Wenn die Entwicklung in der Chipherstellung ähnlich rasant vorwärts gehen soll wie bis anhin, dann müssen für die Speicherzelle der Zukunft neue Materialien und Technologien entwickelt werden.

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