Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

Kaufsucht «Ich habe viele Glücksgefühle beim Shoppen – bin ich süchtig?»

Nadine Farronato, Gregor Mägerle und Ursula Sutter haben Ihre Fragen im «Puls»-Chat beantwortet.

Fachpersonen im «Puls»-Chat

Box aufklappen Box zuklappen

Dr. phil. Nadine Farronato
Eidg. anerkannte Psychotherapeutin
Fachpsychologin für Psychotherapie FSP
Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel

Gregor Mägerle
Leiter Schuldenprävention Stadt Zürich
Sozialarbeiter FH, Ausbildner (eidg. Fachausweis) Gesundheitsförderung und Prävention
moneychat.ch

Ursula Sutter
eidg. anerkannte Psychotherapeutin
Fachmitarbeiterin Beratung und Therapie
Berner Gesundheit

Chat-Protokoll

Ist Kaufsucht wirklich ein Problem, wenn man sie sich leisten kann?

Ursula Sutter: Sie weisen da auf einen interessanten Punkt hin: Tatsächlich hat das Kaufverhalten viel damit zu tun, wie viel Geld man hat, und ob man sich all die Dinge, die man kauft auch leisten kann. Kaufsucht ist eine psychische Erkrankung. Entscheidend dafür, ob eine Kaufsucht behandelt werden sollte, ist immer der Leidensdruck der betroffenen Person bzw. des Umfeldes dieser Person. Wenn hier kein Leiden erlebt wird und man es sich leisten kann, gibt man einfach viel Geld aus, vielleicht gar, ohne in die Schuldenfalle zu tappen.

Guten Abend, ab wann gilt man generell als kaufsüchtig und was kann man dagegen tun?

Nadine Farronato: Laut dem internationalen Klassifikationssystem ICD gilt man als kaufsüchtig, wenn man trotz negativen Konsequenzen (z.B. Zahlungsrückstände, Streit in der Familie) aufgrund des Kaufens sein weiteres Kaufverhalten nicht stoppen kann, wenn man einen Kontrollverlust während des Kaufens erlebt (z.B. mehr als vorgesehen oder öfters kauft) und wenn das Kaufen immer mehr zur Priorität Nummer eins wird und somit andere wichtige Dinge vernachlässigt werden (z.B. soziale Kontakte oder seine Arbeit). Wichtiges Kriterien ist, dass es bei der betroffenen Person zu einem Leidensdruck führt. Was kann man dagegen tun? Wichtig ist darüber zu sprechen, sich zuerst einer wichtigen Bezugsperson anzuvertrauen und dann gegebenenfalls bei einer Fachperson Hilfe suchen. Dort erlernen Sie hilfreiche Strategien im Umgang mit dem Drang (Verlangen, Craving) nach Kaufen und praktische Strategien wie Sie sich bei weiteren Einkäufen schützen können (z.B. nur Bargeld mitnehmen, keine Kreditkarten, Newsletter abbestellen, sich auf den grossen Online-Portals sperren lassen, usw.).

Mein Bruder kauft sich offensichtlich gerne Luxus ein, vorallem Kleider. Er hat nebenbei aber noch grössere Schulden. Sobald ich ihn darauf anspreche, wird er beleidigend und lehnt ab. Was könnte ihm helfen?

Ursula Sutter: Betroffene Personen reagieren meist mit einer Zurückweisung, wenn man sie auf ihr Kaufverhalten anspricht. Daher ist es sehr wichtig, ihnen keine Vorwürfe zu machen sondern viel eher, die eigenen Sorgen auszudrücken und Unterstützung anzubieten. Unterstützung bei der Suche einer Beratungsstelle oder einer Schuldenberatung. Vielleicht hilft auch der Hinweis auf eine Sendung wie Puls von heute – denn meist denken Betroffene, sie seien die einzigen, die ein solches Problem hätten. Es ist für sie also hilfreich zu erkennen: Kaufsucht ist eine Krankheit und andere sind auch betroffen.

Hallo, ich habe vor einigen Jahren in England gelebt und kaufte damals mehrmals pro Woche Sachen (hauptsächlich Bücher) auf Amazon, die ich nicht brauchte. Es gab mir ein schönes Gefühl aber das Portemonnaie und die Unwelt litten unnötigerweise. Jetzt wohne ich in der Schweiz und tätige nicht mehr so grosse Einkäufe online. Ich finde die Platform von Galaxus leitet einen nicht so stark auf unnötige Käufe. Ist es erwiesen, dass Amazon ein grösseres Suchtpotenzial hat als andere Websites?

Gregor Mägerle: Gute Frage. Ich denke, dass gewisse Produkte / Websiten auf eine Person eine grössere Anziehungskraft ausstrahlen als andere. Wir Menschen sind verschieden und haben unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse. Galaxus scheint genau diese Produkte anzubieten, die Ihnen gefallen. Eine andere Person findet da vielleicht nur wenig interessante Produkte. Wenn ich für mich also herausfinde, welche Websiten mich dazu verleiten unnötige Käufe zu tätigen kann ich diese so gut wie möglich meiden.

Ich habe eine Frage: Kann eine Sammelsucht einer Kaufsucht gleichgesetzt werden? Ich habe eine Sammelsucht von Sneakern und Uhren. Davon habe ich sehr viele gekauft, somit sehr viel Geld ausgegeben und es hat mich in finanzielle Engpässe gebracht.

Ursula Sutter: Wir haben in der heutigen Puls-Sendung eine Betroffene gesehen, die Bücher «sammelt», weil sie Bücher liebt. Daher ja, das überbordende Kaufen von Dingen, die einem wichtig sind kann durchaus in eine Kaufsucht führen. Bei der Sammel- wie bei der Kaufsucht geht es darum, dass Sie sich Dinge kaufen, die Sie sich finanziell kaum oder nicht leisten können – und doch müssen Sie diese unbedingt besitzen. Kaufsucht zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass man einem Zwang unterliegt, etwas kaufen zu müssen, obwohl man weiss, dass man das Produkt nicht braucht und sich auch nicht leisten kann. Je nachdem wie gross Ihr Leidensdruck ist, würde ich Ihnen empfehlen, sich in einer Therapie Unterstützung zu suchen. Dabei geht es darum zu lernen, wie Sie mit diesem Kaufimpuls anders umgehen können. Ich wünsche Ihnen viel Glück!

+++ Ein Deutscher Grossverteiler in der Schweiz macht folgende Werbung: Mehr % ist mehr! Mehr kaufen – mehr sparen 4 kaufen 40% sparen, 3 kaufen 30% sparen, 2 kaufen 20% sparen Wo bleibt da food wast? Billig eingekauft ist nichts Wert und kann, wenn doch zu viel eingekauft, wird entsorgt werden. Der andere Deutsche Grossverteiler in der Schweiz: Mehr Geld für's Leben. Nahrung ist lebensnotwendig. Warum bei der Nahrung sparen???? +++

Ich würde jetzt meine Freundin nicht direkt als Kaufsüchtig bezeichnen, aber sie hat schon sehr Mühe einem Kauf zu widerstehen, wenn ihr was gefällt. Und ihr gefällt sehr viel. Für mich hat das zur Folge, dass das gemütliche Shoppingerlebnis zu einer permanenten Stresssituation wird, da ich immer im Defensivmodus bin und Angst habe, dass sie sich wieder was schnappen will, was wir gar nicht brauchen. Wir haben darüber auch schon geredet, aber das Gefühl bekomme ich irgendwie nicht weg. Häufig muss ich dann auch die Frage «was meinst du» beantworten. Versuche das jeweils sanft und rational mit Nein zu beantworten, aber ich will ja auch nicht der Nein-Sager sein, vor allem wenn es um ihr Geld geht. (was sie dann nicht mehr hat, um sich an unseren Gemeinschaftsausgaben zu beteiligen, aber das ist ein anderes Thema ;) ) Haben Sie Tipps für sie aber auch mich wie wir am besten damit umgehen können ausser Einkaufszentren und Weihnachtsmärkte zu meiden? (Und ja, mir ist bewusst, dass ich hier auch einen Knacks habe und das mein Problem ist)

Nadine Farronato: Ich kann gut verstehen, dass dies eine schwierige Situation für Sie beide ist. Sie scheinen da ganz unterschiedliche Bedürfnisse zu haben, was bei vielen Paaren immer wieder zu Schwierigkeiten führen kann. Etwas vom Wichtigsten haben Sie schon gemacht, nämlich darüber zu sprechen. Trotzdem ist es für Sie immer noch ganz schwierig mit ihr einkaufen zu gehen. Deswegen scheint es mir wichtig, dieses Thema noch einmal an einem ruhigen Abend zu besprechen, am besten auch mit Vorankündigung, dass Sie dieses Thema gerne noch einmal mit ihr besprechen wollen. Hier ist es wichtig, dass Sie von Ihren Sorgen und Ängsten sprechen und ihr keine Vorwürfe machen. Sicherlich ist es nicht einfach immer Nein sagen zu müssen, aber leider haben einige Käufe, wie Sie schreiben, auch negative Konsequenzen für Sie, wenn Sie dann für die Gemeinschaftsausgaben alleine aufkommen müssen. Ganz praktisch könnte auch helfen, dass Sie sich gemeinsam eine Einkaufsliste schreiben und somit bereits zu Hause definieren, was Sie brauchen und somit eher unnötige Käufe verhindern können. Sollte das Gespräch im Streit enden, ist es eventuell hilfreich eine neutrale Person zur Hilfe zu holen, welche als Mediator das Gespräch unterstützen kann, z.B. eine Fachperson mit Fachkenntnissen im Bereich der Sucht.

Ich schäme mich furchtbar dass ich mich so schlcht unter Kontrolle habe beim schoppen. Deshlab traue ich mich auch nicht in eine selbsthilfgruppe zum Hilfe fragen. wie läuft der erste knotakt da ab?

Ursula Sutter: Guten Abend. Schön, dass Sie den Mut gefunden haben, sich zu melden und zu schreiben! Wissen Sie, Gefühle sind schwierig unter Kontrolle zu haben und es gibt ganz bestimmt gute Gründe, warum Sie in eine Kaufsucht gerutscht sind. Seien Sie versichert, Sie sind nicht alleine! Es gibt in der Schweiz gleich viele Kaufsüchtige wie Alkoholabhängige – also richtig viele. Gerne ermutige ich Sie, sich bei einer Selbsthilfegruppe zu melden. Sie finden den Kontakt über die Website www.selbsthilfeschweiz.ch, dort können Sie dann nach Themen und Regionen suchen. Ich drücke Ihnen die Daumen!

Ich bin Student und arbeite in einer Buchhandlung, dadurch kaufe ich mir regelmässig pro Monat ca. 4-5 Bücher. Bin ich kaufsüchtig?

Nadine Farronato: Nur aufgrund der Anzahl Bücher, welche Sie kaufen, kann nicht beantwortet werden, ob Sie kaufsüchtig sind. Vielleicht können Sie sich folgende Fragen stellen:

  • Können Sie sich die Bücher leisten oder kommt es aufgrund dieser Käufe zu Zahlungsrückständen in anderen Bereichen?
  • Lesen Sie diese Bücher oder kaufen Sie sie nur um sie zu besitzen oder womöglich nur um sich während des Kaufs besser zu fühlen?
  • Wann kaufen Sie? Kaufen Sie um Ihre Emotionen zu regulieren?

Wenn Sie die Bücher kaufen um Ihre Emotionen zu regulieren, wenn Sie die Bücher kaufen und gar nicht lesen, wenn Sie aufgrund der Käufe negative Konsequenzen bekommen und somit unter den Käufen leiden, könnte es sein, dass Sie kaufsüchtig sind. In diesem Fall würde ich Ihnen empfehlen sich professionelle Hilfe zu suchen.

Ich habe immer viel Freude am shoppen und viel Glücksgefühle wenn ich shoppe. Bin ich süchtig?

Ursula Sutter: Ja, Shoppen löst bei vielen Menschen Glücksgefühle aus. Sich etwas Schönes zu kaufen, kann und darf Freude machen! Es ist, wie bei vielen Dingen im Leben, eine Frage des Masses. Wichtig ist, dass es auch andere Dinge in Ihrem Leben gibt, die bei Ihnen Glücksgefühle auslöse, z.B. Freundschaften, Hobbies etc. Die Gefahr in eine Abhängigkeit zu rutschen beginnt dann, wenn das Kaufen für Sie zu einem Zwang wird, wenn sich Ihre Gedanken ausschliesslich ums Kaufen drehen und wenn Sie nur noch Glücksgefühle erleben wenn Sie Shopopen. Solange Sie nur ab und zu einkaufen und sich darüber freuen,Ssie keine finanziellen Probleme bekommen und noch viel anderes haben, dass Sie ebenfalls erfreut, ist alles gut.

Mein 32 jähriger Sohn ist kaufsüchtig und hat auch grosse Schulden bei mir. Er wäre bereit eine Therapie zu machen, findet aber für dieses Thema keinen Therapeuten. Wo kann er sich melden? Er wohnt im Zürcher Unterland Wie soll ich mich verhalten? Ich bin ziemlich ratlos und wäre um jeden Tipp dankbar

Nadine Farronato: Toll, dass Ihr Sohn bereit ist eine Therapie zu machen, das heisst, dass er bereits selbst eine Krankheitseinsicht hat und sich helfen lassen will und toll, dass Sie ihn bei der Suche unterstützen. Leider ist es wirklich schwierig zurzeit bei niedergelassenen Therapeuten im Suchtbereich einen Platz zu bekommen. Das Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte Radix kann Beratungsangebote bieten im ambulanten Bereich.

Falls eine ambulante Therapie nicht ausreicht und eine stationäre Behandlung in Frage kommt, bietet die Station Verhaltenssucht stationär (VSS) der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel eine Abteilung, welche auf Verhaltenssüchte und somit auch auf Kaufsucht spezialisiert ist.

Erkennt man bei einer Person die Tendenz zur Kaufsucht, respektive die Person befindet sich im Übergang zur Sucht oder anerkennt dies auch bei sich selbst. Welche niederschwelligen Tipps zum Einstieg gibt es, dies zu regulieren? Dies soll im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe gemeint sein.

Ursula Sutter: Wenn die betroffene Person selbst findet, Sie möchte anders mit ihrem Kaufverhalten umgehen, gibt es einfache Möglichkeiten: Beim online-Shopping ist es wichtig, sich von Newslettern abzumelden, App's zu löschen und wenn man auf der Seite surft und Dinge kauft, diese mind. 24 Stunden im Warenkorb liegen zu lassen. Im analogen Handel ist es sinnvoll, nur mit Einkaufsliste einkaufen zu gehen, evtl. gemeinsam mit einer anderen Person einzukaufen, sich ein klares Budget zu machen und nur mit Bargeld zu bezahlen. Auch hier macht es Sinn, Ware zurücklegen zu lassen und den ersten Kaufimpuls in Ruhe zu überdenken.

Ich habe das gefühl, dass meine Frau kaufsüchtig sein könnte. Woran kann ich dies erkennen?

Nadine Farronato: Folgende Fragen können dabei helfen zu erkennen, ob jemand kaufsüchtig ist.

  • Kauft Ihre Frau um negative Emotionen zu regulieren oder bewusst um sich in eine andere Stimmung zu bringen?
  • Kauft Ihre Frau so oft und so viel ein, dass Sie oder die Familie dadurch finanzielle Probleme bekommen?
  • Kauft sie Dinge ein, die sie nicht benötigt bzw. immer die gleichen Dinge auf Vorrat?
  • Vernachlässigt Ihre Frau aufgrund des Kaufens andere wichtige Dinge, wie die Arbeit, Hobbies, Familie oder Freunde?
  • Führt das Kaufen zu einem Leidensdruck bei ihr oder Ihnen als Familie?

Je mehr Ja-Antworten Sie bekommen, desto eher kann es sein, dass Ihre Frau ein problematisches Kaufverhalten oder eine Kaufsucht hat.

Ich weiss nicht, ob ich kaufsüchtig bin. Ich habe es aufhedenfall angst zu werden. Im Moment kaufe ich das was mir gefällt und ich somit auch für nötig halte. Ich mache dann Schulden bei Familienmitgeliedern und kaufe sann meistens bis ich meine Schulden abbezahlt habe fast nichts mehr. Bin ich gefärdet Kaufsüchtig zu werdne oser bin ich es sogar schon? Vielen Dank für ihre Antwort.

Ursula Sutter: Offenbar übersteigt Ihr Kaufverhalten Ihr Budget und Sie gehen gar soweit, dass Sie bei Familienmitgliedern Schulden machen, ich nehme an, dass dies bei Ihnen Stress auslöst? Es wäre daher sicher gut, wenn Sie sich in einer Selbsthilfegruppe austauschen könnten, oder wenn Sie sich bei einer Beratungsstelle informieren könnten. Ich würde Ihnen empfehlen, dies zu tun. Der Übergang von «viel Kaufen» zu «Kaufsucht» ist meist fliessend. Positiv ist, dass es Ihnen jeweils gelingt, die Schulden wieder abzubezahlen und in dieser Zeit nichts zu kaufen. Ich glaube, Sie sind an einem Punkt, der ideal ist, um Ihr Kaufverhalten anzugehen. Viel Glück!

Hallo Kriege meine Kaufsucht nicht in den Griff. Bin täglich auf Shein. Wie stelle ich das ab?

Nadine Farronato: Die wirkvollste Strategie, jedoch auch eine sehr schwierige, ist es, das App zu löschen und auch im Browser die Webseite zu sperren und somit der Verführung nicht Tag für Tag widerstehen zu müssen. Wichtig wäre es auch Newsletter abzubestellen, damit man nicht täglich mit neuen Angeboten und Rabatten gelockt wird.

Ich trinke phasenweise recht viel Alkohol, habe aber kein Problem, auch mal ein, zwei Wochen trocken zu bleiben. Wenn mir langweilig ist, browse ich gerne durch Amazon & Co. und finde auch immer wieder etwas, was mir Spass bereitet. Der Pöstler hat gut zu tun :) Sorgen wegen Kaufsucht mache ich mir aber keine, weil ich meinen Alkoholkonsum ja auch problemlos im Griff habe. Ist meine Schlussfolgerung korrekt?

Ursula Sutter: So wie Sie Ihr Trink- und Kaufverhalten beschreiben, scheint es Sie nicht weiter zu belasten. Gleichzeitig schreiben Sie, dass Kaufen und evtl. auch Trinken Sie von Langeweile und vielleicht anderen Gefühlen ablenkt. Vielleicht würde es befriedigendere Aktivitäten gegen Langeweile geben? Andere Leute treffen, einem Hobby nachgehen, ein Spaziergang oder ein schönes Bad. Probieren Sie es aus.

Ist Kaufsucht vererblich?

Nadine Farronato: Kaufsucht per se ist nicht vererbt, jedoch ist das Risiko erhöht eine Suchterkrankung zu bekommen, wenn jemand in der Familie auch an einer Suchterkrankung leidet, dies muss aber nicht die gleiche Sucht sein. Es wird also eine psychische Vulnerabilität (Verletzlichkeit) vererbt. Habe ich aber viele Resilienzfaktoren, sprich viele Schutzfaktoren und Ressourcen, habe ich grosse Chancen trotz psychischer Vulnerabilität nicht süchtig zu werden. Neben der genetischen Komponente spielen auch die Lernerfahrungen eine wichtige Rolle. Wenn ich also sehe, dass wichtige Bezugspersonen ihre Emotionen durch ein Suchtverhalten regulieren, kann ich dies entweder übernehmen, weil ich nichts anderes gelernt habe oder, wenn ich bei anderen Bezugspersonen gesündere Emotionsregulationsstrategien gelernt habe, die ungesünderen ganz bewusst nicht nachahmen.

Mein Kind verfügt über ein Sparkonto. Innert einem Jahr hat es davon mehr ausgegeben, als der in der gleichen Zeit verdiente Lehrlingslohn. Pro Woche kauft es mindestens ein neues Kleidungsstück, oft auch mehr. Die Anzahl Pakete, die von ihm bei uns ankommen, entspricht der, die die anderen Familienmitglieder zusammen erhalten. Was sollen wir tun? Ansprechen haben wir versucht. Es wird als Einmischung ins Privatleben bezeichnet und eine Kaufsucht abgestritten. Sobald unser Kind auf eigenen Beinen stehen wird, wird dieser Umgang mit Geld problematisch, das Sparguthaben wird aufgebraucht sein und niemand kann seinen ganzen Lohn für Konsum ausgeben.

Gregor Mägerle: Ich beginne meine Antwort mit Ihrer letzten Aussage, niemand kann seinen ganzen Lohn für Konsum ausgeben – zumindest wir Erwachsene nicht. Ein Kind in der Lehre manchmal schon. Falls dies nicht schon so ist würde ich Ihnen rasch empfehlen Ihr Kind an seinen Lebenskosten beteiligen zu lassen und es Coiffeur, Lebensmittel, Ausgang, ÖV-Ticket, Schulmaterial, usw. selber bezahlt. Ihr Kind soll lernen was das Leben kostet. Nun scheint Shopping sehr wichtig zu sein. Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Kind und fragen Sie welche Bedürfnisse es mit Shopping befriedigt, welche Käufe es gut fand und welche es bereut? Was es mit schlechten Käufen macht und ob es Alternativen zum Neu-Kaufen gibt? Bleiben Sie in Kontakt und geben Sie Ihre Erfahrungen mit Kauf- und Konsumentscheidungen weiter. Und dass das Sparkonto schmilzt sehen die Eltern ja logischerweise nicht gerne, trotzdem, lieber es passiert jetzt wenn Ihr Kind noch Zuhause lebt und Sie noch einen einfacheren Zugang zu Ihrem Kind haben, als wenn es schon ausgezogen ist. Dann wird es schwieriger. Klar ist, über alle Konten, die auf den Namen des Kindes lauten, kann ihr Kind ab dem 18 Geburtstag verfügen. Ich wünsche Ihnen viele gute Gespräche über Wünsche, Bedürfnisse und Käufe mit Ihrem Kind.

Guten Abend Ich bin klar kaufsüchtig, Internet, und hoch verschuldet. Die Schuldenberatung hat mich abgewimmelt, ich müsse halt weniger einkaufen, dann würde das Geld reichen. :-( Die Berner Gesundheit ist nicht zuständig, weil ich in der Gemeinde Köniz wohne. Haben Sie mir eine Anlaufstelle Beratung in der Gemeinde Köniz, es ist wirklich dringend. Wohnen tue ich in Wabern. Herzlichen Dank im Voraus.

Ursula Sutter: Guten Abend. Sie dürfen sich sehr gerne bei der Berner Gesundheit melden – auch wenn Sie in der Gemeinde Köniz leben. Die Berner Gesundheit ist im ganzen Kanton Bern vertreten und für alle Bewohner:innen des Kantons da. Sie erreichen die Berner Gesundheit unter 031 370 70 70. Alles Gute!

Ist es schon Kaufsucht wenn man nur in grossen Mengen täglich den Warenkorb beim Onlineshopping füllt ohne wirklich etwas zu Bestellen/Kaufen?

Gregor Mägerle: Ich würde sagen, nein. Vielleicht kennen Sie den Begriff «Window-Shopping» – Bedeutet, durch die Läden ziehen, vieles anschauen, aber doch (fast) nichts kaufen. Digital ist das ähnlich, da gibt es eben den Warenkorb, wenn ich jedoch nichts bestelle/kaufe, passiert ja auch nichts.

Ich mache mir sorgen um meinen 23 Jahren alten Sohn- soviele Pakete bestellt er immer Sport, Kleider usw. Ich sage ihm, dass er kaufsüchtig werde- er wird nur wütend wenn ich ihn darauf Hinweise. Was soll ich tun? Lieben Dank

Nadine Farronato: Es ist nachvollziehbar, dass Sie sich grosse Sorgen um Ihren Sohn machen. Und ich kann auch gut verstehen, dass Ihr Sohn Schwierigkeiten hat, über sein Kaufverhalten zu sprechen. Es ist schwierig sich einzugestehen, dass man ein Problem hat und es ist mit grosser Scham verbunden. Es ist auch schwierig von aussen mit den wenigen Informationen zu beurteilen, ob er wirklich ein Problem hat und daran leidet. Wenn Sie bemerken, dass er darunter leidet, sich aber schämt, wäre es wichtig erneut ein Gespräch zu suchen. Sprechen Sie aber von Ihren Sorgen und Ängsten und machen Sie ihm keine Vorwürfe. Sagen Sie ihm, dass Sie für ihn da sind und dass Sie ihn auch unterstützen würden, wenn er zwar nicht mit Ihnen aber mit einer Fachperson sprechen möchte. Vielleicht können Sie ihn auch auf diese heutige Sendung aufmerksam machen, damit er merkt, dass er mit diesem Problem nicht alleine ist, das kann bereits eine Erleichterung bringen und es ihm vereinfachen, Hilfe zu suchen und anzunehmen.

Ich kaufe sehr viel ein, bis ich kein Geld mehr habe. Was kann ich dagegen tun? Ich möchte schon seit langem damit aufhören, doch es geht einfach nicht!

Gregor Mägerle: Ihre Aussagen zeigen mir wegen zwei Punkten eine Kaufsucht auf. Einerseits können Sie nicht mehr aufhören und andererseits beschreiben sie negative, finanzielle Auswirkungen. Somit rate ich Ihnen, eine Kaufsucht-Beratung aufzusuchen. Da lernen Sie Strategien um eben aufhören bzw. die Sucht in den Griff kriegen zu können. Eine Sucht zu überwinden benötigt meist fachliche Unterstützung von aussen. Beim Geld ist es sehr wichtig, dass Sie sich ein Budget erstellen. So sehen Sie wie es um Ihre Ein- und Ausgaben steht und Sie erhalten einen überblick über Ihre Finanzen. Ebenfalls rate ich Ihnen Ihre Fixkosten (Miete, KK, Natelabo, usw.) mittels Daueraufträgen direkt zu bezahlen um nicht dieses Geld auch noch fürs Kaufen auszugeben. Arbeiten Sie mit mehreren Konten um Geld für Steuern, Ferien usw. auf die Seite zu legen. Hilfreich können die beiden folgenden Artikel zur Budgeteinhaltung sein: https://www.moneychat.ch/wissensbereich/mit-mehreren-bankkonten-das-geld-im-griff-haben oder https://www.moneychat.ch/wissensbereich/budget-einhalten 

Wenn es so ist, dass Sie bereits verschuldet sind und Rechnungen nicht mehr bezahlen können so rate ich Ihnen, sich bei einer Schuldenberatung in der Nähe zu melden, um Ihre Finanzen zu in den Griff zu bekommen. Hier der Link zum Dachverband der Schuldenberatungsstellen, da finden Sie die Beratungsstelle in Ihrer Nähe: https://schulden.ch/ Ich wünsche Ihnen viel Energie dieses Thema anzugehen. 

Video
Shopping am Limit: Bin ich kaufsüchtig?
Aus Puls vom 20.11.2023.
abspielen. Laufzeit 33 Minuten 43 Sekunden.

Puls, 20.11.2023, 21:05 Uhr;

Meistgelesene Artikel